Alternativen von Michael Ruff
Die Jahre mögen kommen und gehen, nur Mark Edwards beibt der gleiche. Seit 1986 macht der wortkarge Brillenträger Platten unter dem Namen MY DAD IS DEAD, wobei weder seine grimmige Weltsicht (die wahrscheinlich nur von Mark E. Smith übertroffen wird), noch seine musikalischen Vorstellungen sich irgenwann geändert haben. Auch der Unterschied, daß Edwards, der früher alle Instrumente per Multi-Track-Verfahren könnerhaft selbst einspielte, heute mit fester Band arbeitet, fällt kaum auf: „For Richer, For Poorer“ (Trance/ EFA) klingt wie Grunge mit zusammengebissenen Zähnen, aber schlechte Laune verbreitet die Platte nicht – dafür macht Edwards zuviel Dampf, um seinen Nachdenklichkeiten Gehör zu verschaffen. 3,5
Jene berühmte Viertelstunde Ruhm, die laut Warhol jeder mal genießen darf, liegt für HALF MAN HALF BISCUIT bald zehn Jahre zurück. Damals kannte sie halb England und jeder war von ihren scharfsinnigen Songs amüsiert, wo sämtliche Rituale und Figuren der heimischen Hip-Sczene ein bißchen Fett abbekamen. Und heute? Immer noch dabei, und schon der Plattentitel „Some Call It Godcore“ (Probe Plus/RTD) sagt eigentlich alles: mehr humorige Biestigkeiten über Fernseh-Programm und Musik-Journaille, die gleichen Schrammelgitarren und diese immer leicht genervte Rotzlöffelstimme mit ihrem Provinz-Akzent. Das alles erinnert an die Comics von Peter Bagge – unser Held Buddy Bradley macht Urlaub in britischen Pubs und Ramschplattenläden. 3,0
1991 machte die Neuseeländerin SANDRA BELL mit „Dreams Of Falling“ auf sich aufmerksam. Das Nebeneinander von versponnener und aggressiver Weiblichkeit, welches die Spannung des Debüts ausmachte, tritt auf ihrem zweiten Album „Net“ (IMD/RTD) zugunsten einer glatteren, rockorientierten Produktion zurück. Wie so oft eine zweischneidige Angelegenheit: Die Lieder entwickeln mehr Druck, auch ihre Stimme klingt kräftiger, nur der individuelle Gestus, der früher unverblümt und offenherzig nach außen ging, muß diesmal erst herausgehört werden. 3,0
Ihre Landsleute von BAILTER SPACE gehören bereits zu den Veteranen der NZ-Szene. „Watnmo“ (Matador/RTD) markiert die Hinwendung des Trios zu Rock-Strukturen, wobei ihr Hang zu monotoner Dröhnung natürlich nie zu kurz kommt Spaceinen 3 treffen Monster Magnet am anderen Ende der Welt. 3,0
Auch THE TERMINALS wurzeln musikalisch in den frühen Achtzigern: Die gelegentlich allzu wetterfühlige Melancholie von „Little Thing“ (IMD/RTD) erinnert an die Tage, als Depression noch chic war – einzuordnen zwischen Ed Kuepper und Joy Division. 3,0
Wäre Mojo Nixon vor dreißig Jahren aufgetaucht – man hätte ihn Country Joe McDonald genannt. Nach der ziemlich überdrehten, gemeinsam mit Jello Biafra eingespielten Country-Groteske von letztem Jahr legt er nun ein Solo-Werk nach. Doch der Witz, mit dem er auf „Where Abouts Unknown“(Semaphore) den American way of life attackiert, wirkt heute hölzern und verstaubt. Bemerkenswert allein, daß er zwischendurch die Smiths covert („Girlfriend In A Coma“). 2,5
Detroit, 1993: In den frühen August-Tagen muß eine besonders gute Planetenkonstellation über dem kleinen White Room-Studio gestanden haben, denn was das unbekannte Pittsburgh-Trio THEE SPEAKING CANARIES dort in kürzester Zeit auf Tonträger bannte, kann getrost zu den magischen Momenten der Rockmusik gezählt werden. Vielleicht hat Bandchef Damon Che, ein überzeugter UFO-Experte, dabei auf die Hufe seiner außerirdischen Freunde zurückgegriffen, aber „Songs For The Terrestrially Challanged“ platzt vor Gefühl und Seele und durchdringt den Hörer mit genau der aufputschenden Wirkung, die vergleichbaren Bands im Leben nicht gelingt. Aufzulegen direkt nach der neuen Neil Young/ Pearl Jam. 4,0