45 RPM von Wolfgang Doebeling

„Singles are the life-blood of rock’n’roll“, wußte schon Pete Townshend, und Phil Spector pflegte zu assistieren: „Alle große Pop-Kunst dreht sich 45mal in der Minute.“ Von vielen Labels sträflich vernachlässigt und von großen Ladenketten weitgehend ignoriert, werden aber nach wie vor Tausende von Singles jedes Jahr veröffentlicht, nicht wenige davon ausschließlich auf Vinyl. Mehr als hundert Labels haben sich ganz auf 7inch-Scheiben spezialisiert. Das musikalische Spektrum ist enorm, die Qualität mit Sicherheit nicht schlechter als im Digital-Geschäft. Es gibt viel zu entdecken. In diesem Sinne: welcome…

Die Single des Monats kommt von THE GROOVE TUNNEL aus Edinburgh. Hervorgegangen aus der Mod-Gruppe The Shadowland, nennen sie ihre explosive Stil-Mixtur ziemlich treffend „Acid Go Go Funk“. „Rainy Day“ (Detour 23) ist infektiöser, Bläser-getriebener Hammond-Swing, während die Rückseite „How Do You Feel?“ mit saftigen Wah-Wah-Gitarren aufwartet, die in eine fulminante Auferstehungsfeier für Booker T. & The MG’s mutieren. Der Groove Tunnel ist eine Zeitmaschine, die uns in eine Epoche schickt, in der Dance Music noch funkte und Midi eine verpönte Rocklänge war. 4,5

THE SHADOWLAND verabschieden sich derweil mit „She“ (Twist 11). Lendenlahme Gitarren und ein eher einfältiger Song, nur unwesentlich aufgewertet von der schön wummernden Hammond-Orgel. Power-Pop ohne Power. 2,5

„Losing in front of your home crowd“, weiß MORRISSEY, tut weh. Er hat eine Menge einstecken müssen in letzter Zeit, unser Mr. Misery. Selbst schuld. Rassismus ist kein Thema, zu dem sich irgendjemand mißverständliche Äußerungen leisten könnte. „Boxers“ (Parlophone R 6400) versöhnt durch einsichtige Lyrik und verwöhnt mit sublimer Melodie, sanft gestreichelten akustischen Gitarren und Steve Lillywhites probater Panorama-Produktion. Sophisticated. 4,0

MY LIFE STORY klingen auf ihrer dritten Single „You Don’t Sparkle“ (Mother Tongue 04) bei weitem nicht so majestätisch wie ABC auf „All Of My Heart“, doch alles andere ist hübsch nachempfunden: Melodie, voluminöser E-Bass, orchestrales Arrangement und melodramatische Vocals. 3,0

Erklärte Darlings der wiedererwachten UK-mod-scene sind MANTARAY aus Essex. „Adoration“ (Dead Dead Good 26) kommt auf blauem Vinyl und knüpft da an, wo uns The Jam vor 13 Jahren verlassen haben, ohne Weilers Wut zwar und schon deshalb harmloser, aber sonst mehr als manierlich. 4,0

Mod ist auch das Zauberwort für THE APCMCN, doch orientieren sich die smarten Saarbrücker mehr an Sixties-Vorbildern. „Love Train“ (Detour 21) ist je ein Drittel Spencer Davis Group, The Who und, leider, Lo-Fi-Produktion. 3,0

THE GROOVY CELLAR aus Berlin hingegen sind faciler R & B-Härte abhold. Ihre Sixties-Vernarrtheit zeitigt ungleich blumigere Klänge, die eigentlich nie besonders fashionable waren. „The Summer Of Falling Stars“ (Twang! 190587) hat ein bißchen Honeybus, Ivy League und späte Zombies, ist romantisch, sehr britisch (circa 1967) und very charming indeed. 4,0

Solange die ROCKINGBIRDS von einem Major-Label gepusht wurden, bekamen sie über die Maßen Medien-Aufmerksamkeit. „Band Of Dreams“ (Heavenly 43) ist ein Neuanfang, ohne Geld, aber mit gesundem Trotz, wie der autobiographische Text verrät. Feinster englischer Country-Rock. 4,5

SUPERGRASS haben einen prima Namen und verhehlen auch auf ihrer zweiten Single „Mansize Rooster“ (Parlophone R 6402) ihre Herkunft nicht: früher Bowie und, für 18jährige erstaunlich, Small Faces. 4,0

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