Weltmusik von Peter Lau
Kämen eines Tages einige Leute aus, sagen wir mal, Ghana in eine deutsche Reihenhausssiedlung, um dort die Lieder der Kinder aufzunehmen, das Trällern der Frauen in der Küche oder vielleicht den Männergesangverein, gäbe es vermutlich Arger. Vielleicht würden ein paar Polizisten die schwarzen Musikforscher in letzter Minute in Sicherheit bringen. Doch selbst die würden schließlich die große Frage stellen: Was sollte das alles? Und wenn dann ein Mann aus Ghana antwortete, man wäre auf der Suche nach authentischer deutscher Musik gewesen – was würde man ihm wohl entgegnen?
Die Pygmäen der zentralafrikanischen Republik sind da freundlicher. Sie erlaubten dem Franzosen FABRIZIO COSSOL, für die CD“The Aka Pygmies -Nzomba“ ihre Lieder aufzunehmen. Das Ergebnis ist nicht weiter aufregend: Das afrikanische Naturvolk singt einfache Songs, die ein wichtiger Teil der Kultur dieser Menschen darstellen, für uns Westler aber kaum interessant sind. Gern würde man dem Album das Prädikat „Vergiß es“ verpassen, doch leider bleiben einige Fragen: Warum müssen auf dem Cover zwei Schwarze mit Kopfhörern zu sehen sein, als wären sie Teil eines Kuriositätenkabinetts des letzten Jahrhunderts? Und warum trötet da ein Pygmäe mit einer Posaune – sollen wir darüber lachen, daß ein Schwarzer nicht mit einem „zivilisierten“ Instrument umgehen kann? Oder ist das „authentisch“? Oder „Crossover“? Oder was? (Carbon 7, C7-002, Semaphore)1,0
Natürlich muß nicht jede musikalische Feldforschung in latentem Rassismus enden. THOMAS MEINECKE beweist dies mit der Compilation „Texas Bohemia“: Der Chef der Münchner Band Freiwillige Selbstkontrolle hat in Texas deutschsprachige und böhmische Enklaven besucht und die dortige Volksmusik gesammelt. Wem im TV-Musikantenstadl die Seele fehlt, wird die Polkas und Walzer lieben, deren Instrumentierung meist volkstümlich (Akkordeon, Hackbrett) manchmal modern (Saxophon), ab und an auch etwas bizarr (Tuba-Quartett) ist Das Booklet zur Geschichte deutscher Siedlungen in den USA und der dortigen Folklore ist allein den Kauf wert, doch auch musikalisch geht es weitaus lebhafter und drastischer zur Sache, als man es hierzulande gewohnt ist Neben der lebendigen Tradition ist dafür auch der hörbare Einfluß des Texmex verantwortlich. (Trikont US-02011/Indigo) 3,5
Interessante Feldforschung wie diese ist allerdings eher selten – aufregender ist in anderen Ländern, genau wie bei uns, die musikalische Hochkultur. Aus Kuba heißt der Mann der Stunde dazu Israel Lopez alias CACHAO – der 76jährige Bassist hat auf „Master Sessions Volume 1“ den Mambo und andere afrokubanische Musik zur Perfektion veredelt: Die Melodien der zwölf Songs sind durchgehend klassisch, ohne stereotyp zu wirken, die Rhythmen sind elegant verzahnt, die Instrumentalisten ausschließlich hochklassige Musiker und die Arrangements der Percussion-, Bläser- und Streichersätze so glasklar, daß einem keine einzige Feinheit dieser hochkünstlerischen, dabei aber in jeder Sekunde tanzbaren Musik entgeht. Ob, wie im Booklet behauptet, tatsächlich Cachao der Erfinder des Mambos ist, tut nach diesem so filigran gearbeiteten, dabei aber geschlossen wirkenden Album nichts mehr zur Sache: Dies ist ein Highlight afro-kubanischer Musik. (Sony 47728229) 4,5
Und noch eine Runde Hochkultur, diesmal aus Rumänien. Die Gruppe FARAT DE HAIDOUKS spielt auf ihrem zweiten Album „Konourable Brigands, Magic Horses And Evil Tye“ Zigeunermusik, die zu den Gipsy Kings in einem Verhältnis steht wie James Brown zu Snap. Die Melodien sind komplex genug, um auch nach zehnmaligem Hören noch zu gefallen, der Gesang steht in bester Balkan-Tradition, und besonders bei schnelleren Songs bleibt einem angesichts der Brillanz des Spiels auf Geige und Akkordeon manchmal die Spucke weg. (Crammed CRAW 13/EFA) 3,5