Johnny Cash
American Recordings
Universal
Auf dem Cover wird einfach nur noch „Cash“ angekündigt, der Künstler selbst guckt nicht wie ein versoffener Country-Star in die Kamera, sondern wie ein zorniger, dunkler Gott. Das sind nur die äußerlichen Anzeichen dafür, daß Johnny Cash soeben die Grenze des Geschmacks und der Zeitgebundenheit passiert hat und von nun an jenseits von Gut und Böse agiert. Ab jetzt ist er nicht mehr nur das berühmteste Aushängeschild des Country & Western, sondern agiert auf der Meta-Ebene, die für Klassiker reserviert ist.
Gerüchte über diese zunächst nur in den USA erschienene Platte drangen schon im Frühjahr nach Europa. Ausgerechnet der lärmliebende Produzent Rick Rubin, so hieß es, habe dem alten Mann zu neuem Glamour und einem in sich ruhenden Alterswerk verholfen. Jetzt kann man sagen: Alles wahr.
Dabei folgte Rubin gar nicht mal irgendeiner abgefahrenen Sound-Idee, sondern einem einfachen Gedanken, den zuletzt schon Bob Dylan auf zwei Platten umsetzte. Mit einer akustischen Gitarre setzte der Produzent Cash vor ein Mikro und sagte ihm, er solle alles spielen, was ihm einfalle. Und Cash sang: Lieder, die er schon fast vergessen hatte, darunter uralte Eigenkompositionen, Traditionals, Songs von Leonard Cohen, Tom Waits und Kris Kristoffersen. Wie „Thirteen“ von Glenn Danzig in diese Sammlung gekommen ist, weiß Rick allein. Fest steht: Hier ist jeder Song ein Cash-Song. Sie handeln alle von den ewigen Blues und Country-Themen: Mädchen weg, Haus weg, kein Geld , die Straße.
Das kennen wir. Aber wenn Cash diese Topoi nochmals aufgreift, klingt es, als würde Gott persönlich aus dem Alten Testament vorlesen. Eine Bilanz ist „American Recordings“ auch in anderer Hinsicht. In einem Beiheft schreibt Cash mit kerniger Handschrift über sein Leben und seine Gitarren. Hier kann man erfahren, was ohne Haus, Mädchen und Geld noch übrig bleibt: „Alles, was zählt: daß meine Gitarre und ich eins sind.“