Lisa Germano – Geek The Girl
Lisa Germano ist eine virtuose Violinistin. Mehr noch: eine veritable Multi-Instrumentalistin. Als solche hat sie in der Vergangenheit mit den Simple Minds kollaboriert, mit Billy Joel und John Mellencamp. Das nimmt nicht gerade für sie ein. Darüberhinaus veröffentlicht sie auf dem englischen EmpfindsamkeitsLabel 4AD. Auch das weckt Zweifel. Noch mehr Bedsitter-Images für schwermütige Studiosi? Das Label versucht derlei Bedenken im Infoblatt zu zerstreuen: „Lisas melancholische Songs entspringen ihrem Seelenleben und dem Streben nach Glück.“
Die ersten Töne von „Geek The Girl“ lassen indes aufhorchen. Ferne Kirmesmusik weht von irgendwoher und eröffnet einen unvermutet reizvollen Songzirkel, der nur an der Oberfläche flach und ein wenig belanglos klingt. Darunter schwelen allerlei Ängste und Neurosen, die aber selten plakativ und mitleidheischend ausgestellt werden, sondern bereits vielfach gebrochen an unser Ohr dringen.
Die Musikerin aus Indiana hat sogar einen feinen Sinn für Humor. Im Titelsong singt sie: „I’ve always liked Rock’n’Roll, it kinda moves me.“ Und weiter: „One wrong move and you’re not too cool. Oh no, I’m not too cool.“ Eine selbstironische Anspielung auf ihre Session-Arbeit womöglich? Aber das wäre dann vielleicht doch überinterpretiert.
Trotzdem, das Zuhören lohnt. „Cry Wolf und „Phantom Love“ sind düstere, hoffnungsarme Betrachtungen psychischer Abgründe. Wie auch “ A Psychopath“, das mit seiner Hintergrund-Soundcollage aus Angstschreien und orgiastischem Atmen den Bogen des Ostentativen allerdings doch schon etwas überspannt. Allein der abschließende Track „Stars“ vermag mit gebremstem Optimismus und ein wenig Augenzwinkern uns mit dem Menschsein zu versöhnen.
„Stars“ ist auch die einzige Aufnahme mit Pop-Sensibilität. Ansonsten sind die Arrangements karg, die Klanglandschaft eine Wüste, in der nur ausgemergelte Keyboards, dürstende Geigen und ein Paar versprengte Flöten ihr minimalistisches Dasein fristen. Dazwischen irrt Lisas spröde Stimme scheinbar teilnamslos umher.
Dies ist bereits die dritte Germano-Platte, doch noch immer wirkt die Musik halbfertig, nicht voll realisiert. Zur neuen Anämie in der amerikanischen Popmusik, deren Vertreterinnen von Lisa Loeb bis Sheryl Crow derzeit viel Anklang finden, ist Lisa Germano nicht zu rechnen. Bei aller Skizzenhaftigkeit hat ihre Kunst fraglos Substanz. And the best is yet to come.