Kettcar :: Zwischen den Runden
Das geht ja gut los. Der erste Song heißt „Rettung“, er handelt von einem Typen, der seiner betrunkenen Freun- din Essen aus dem Haar pult. „Es ist nicht nur das, was man fühlt/ Nicht was man voller Sehnsucht sucht/ Liebe ist das, was man tut.“ Am Ende bleibt nicht das Bild des Elends zurück, sondern das großer Romantik.
Wie soll man Kettcar nicht lieben? Sie sind nicht cool, sie sind nie auf den Effekt aus, sie verstehen aber auch nichts von lässiger Zurückhaltung. Wenn es Streicher und Bläser braucht, fahren sie die auf – wohlwissend, dass sie all die schönen Details nicht bräuchten, weil die Lieder an sich stark genug sind. Und dass alle Geschichten – die gesellschaftskritischen und die ganz privaten – diejenigen, die sie verstehen, ein Leben lang begleiten werden. Und war es nicht diese traumwandlerische Sicherheit, die wir an R.E.M. so geliebt haben?
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Auf dem vierten Album von Kettcar gibt es keinen schlechten Song – so war das bei den ersten beiden auch, und sogar beim dritten, „Sylt“ – da hat man es nur nicht gleich gemerkt, weil der dröhnenden Sound manche Melodie verschluckte und die Wucht der Worte einen erst mit Verzögerung erwischte. Bei „Zwischen den Runden“ passiert das nicht – es haut einen sofort um, und dann bleibt man lange liegen.
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Sieben Stücke hat Sänger Marcus Wiebusch geschrieben, fünf Bassist Reimer Bustorff – sie gehen perfekt zusammen, die störrischeren („Im Club“) und die eindringlichen („R.I.P.“), die bissigen („Schrilles, buntes Hamburg“) und die zärtlichen (Weil ich es niemals so oft sagen werde“). Kettcar können beides, Wüten und Schwelgen, das liegt auch an Wiebuschs immer behutsamen Gesang. Man muss sich das erst mal trauen: das Keyboard so in den Vordergrund zu stellen wie bei dem tapferen Liebeslied „In deinen Armen“ und darauf zu vertrauen, dass es nicht kitschig klingt, sondern nur konsequent. „Lass uns doch einfach alles geben“ – so endet der verzweifelte Versuch, an die Ewigkeit zu glauben, und so machen das auch Kettcar.
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Dermaßen nahe an Element Of Crime wie bei der tragisch-komischen Odyssee „Erkenschwick“ waren Kettcar noch nie, ein größeres Kompliment gibt es nicht. Während man noch so lächelt über die Welt und all die dummen Leute, fängt das lakonische Beerdigungsstück „Zurück aus Ohlsdorf“ an – ein letzter Stich, der noch lange wehtun wird. Auf eine ganz wunderbare Weise. Sie kriegen einen doch immer wieder.