John Martyn
Heaven And Earth
Hole In The Rain/V2
Jetzt, da er nicht mehr lebt, schreibt es sich auch nicht leichter: dass John Martyn ein „Schrat“ war, ein Wüterich, ein Besessener. Wir hatten ja gedacht, es genüge zu wissen, dass er das alles ist. Und ein schlechtes Gewissen müssen wir auch deshalb haben: Platten hat Martyn ja genug gemacht – aber seine Gemeinde zählte bloß nach Hunderten. Zu Martyns letztem, großartigem Album muss man schreiben, dass sein gutturaler Gesang zwischen Joe Cocker, Tom Waits und diesem Komödianten lag, der beim Style Council 1985 „The Stand-Up Comic’s Instructions“ sprach. Wenn Martyn aber mit Kopfstimme sang, verwandelte er sich in einen flehentlichen, schwerelosen Soul-Sänger und klang wie Al Jarreau.
„Heaven And Earth“ ist ein knorriges, offenbar improvisiertes Album voll knackendem Blues-Rock, Grottenolm-Funk und Jazz-Impromptus. Background-Sängerinnen tschilpen dazwischen, die Rhythmus-Sektion scheppert trocken, ein Akkordeon schwelgt, ein Saxofon tönt unsauber, dann schmettern Bläsersätze. Neben diesen gewaltigen, überlangen Stücken steht auch ein Song von Phil Collins, „Can’t Turn Back The Years“. Klingt nach einer typischen Collins-Schnulze – aber nicht bei Martyn, der das Lied stammelt, atmet, weint.
Man hätte nicht gedacht, dass der gottverlassene Phil Collins überhaupt einen Freund hat, aber John Martyn war einer. Nach „Grace And Danger“ (1980) hatte Collins dem genialischen Kollegen einen ordentlichen Plattenvertrag besorgt. Es half dann nichts: Martyn war nicht vermittelbar. Aber man hört auf der Hommage „Johnny Boy Would Love This …“ (★★★) einige hochmögende Musiker, die Johnny Boy liebten, mit seinen Liedern: Robert Smith von The Cure, Beck, The Swell Season, Beth Orton, Snow Patrol, die alte Kräuterfee Vashti Bunyan. Und den Stimmenimitator Paolo Nutini!
Phil Collins sammelt Waffen aus der Schlacht um Alamo, John Martyn ist tot. Wer weiß schon, was das zu bedeuten hat?
Beste Songs: „Stand Amazed“, „Gambler“, „Bad Company”