Vor 18 Jahren erschien „Saturation“, und noch immer löst die Erinnerung daran – bei jenen, die alt genug sind! – wohlige Schauer aus. Urge Overkill, bisher eine Garagen-Band mit ein paar beachtlichen Heavy-Rock-Alben, brachten mit dieser Bestie den Riff- und den Glam-Rock, Kiss-Simplizität und Beatles-Chöre zusammen, sie rehabilitierten das Gitarren-Solo, sie verhalfen aber auch der Melodie zu ihrem Recht wie die Smashing Pumpkins und Nirvana. 1993 hieß es: „Siamese Dream“ vs. „Saturation“ – die Smashing Pumpkins gewannen eine Weltkarriere, Urge Overkill gingen zwei Jahre später, nach „Exit The Dragon“, auseinander. 1994 hatte Quentin Tarantino ihre Version von Neil Diamonds „Girl, You’ll Be A Woman Soon“ für den Soundtrack von „Pulp Fiction“ verwendet. Das hätte reichen müssen für eine lange Karriere jenseits von Tito & Tarantula.

Doch Eddie Roeser und Nash Kato nahmen den Rock’n’Roll so ernst, dass sie etwa bei einem Besuch in Deutschland ihre Whiskeyflasche nach amerikanischer Art in einer braunen Papptüte mit sich trugen – gegen Mittag. Nicht der Vertrag mit Geffen hatte sie ungenießbar gemacht, sie waren einfach immer schon Stiesel. Nur Arschkekse wie sie können „A bottle of fur/ Missing the smell of her“ zu sengenden Gitarren und Glockengeläut singen und damit durchkommen. Frauen, sagen wir es frisch heraus, fanden sich allerdings nicht so häufig im Publikum.

Irgendwann erschien ein Solo-Album von Nash Kato, der vor lauter Coolness noch immer nicht laufen konnte. Schlagzeuger Blackie O. fehlt nun bei „Rock & Roll Submarine“, einer wahrhaft subversiven Unternehmung in Zeiten, da Rockmusik zum Zierrat degradiert wurde, um jeden Rest von Dissidenz gebracht. Im Sommer 2001 sehen wir „The Wall“ von Roger Waters und die Eagles in Arenen.

Auf Tauchfahrt mit Urge Overkill kreuzen wir noch einmal durch die mulchigen, untiefen Gewässer eines atomar verseuchten Mainstream, in dem Reste von Led Zeppelin, Aerosmith, AC/DC, ZZ Top und Metallica treiben. Trümmer von Platten der Pixies, Mudhoney und Hüsker Dü werden kurz beleuchtet und dann wieder dem ewigen Dunkel überlassen. Die alte UO-Emblematik wurde reaktiviert, das Unterseeboot sieht aus wie eine pralle Frucht. Das Sonar macht „Ping!“, und Roeser und Kato krakeelen mit „Mason/Dixon“ los, einem Song, der immerhin vom Sezessionskrieg handelt. Auf Betriebstemperatur gebracht, pflügen sie durch Brecher wie „Rock & Roll Submarine“, „Effigy“ und „Thought Balloon“, gestatten sich aber kleine Gefühligkeiten und retardierende Momente, ja sogar an The Who gemahnende  Akustik-Sentimentalitäten wie „Quiet Person“. Wie viel Technik für dieses trashige Unterseeboot bei den alten Schlachtschiffen ausspioniert wurde, kann man nur schätzen. Lass es 80 Prozent sein. Schon der SOUND dieser Tauchkugel erschreckt Riesenkraken und Kampffische. The Hold Steady, The Gaslight Anthem, The Strokes? Gekröse!

„Come around to my way of thinking“, sangen sie einst. Heute sind die beiden wichtigsten Wörter der amerikanischen Rockmusik wieder Urge und Overkill.