Ganz allein im Paradies
Die Party ist vorbei. Doch auch ohne ihren Band-Partner macht Elly Jackson als La Roux weiter
Vor fünf Jahren sang Elly Jackson auf ihrem Debütalbum „La Roux“ wütende Lieder übers Schlussmachen und über Begierde. Die 21-Jährige machte damals trotz Kopfstimme einen recht unterkühlten Eindruck – als androgynes Elektrogeschöpf, das kein Spielzeug, sondern „bulletproof“ war. Dagegen rauschen die Songs der neuen La-Roux-Platte, „Trouble In Paradise“, beinahe sanft dahin, wie Wellen die sich an einem karibischen Strand brechen.
Elly Jackson kommt den Hotelgang entlang und entschuldigt sich – Raucherpause. Die charakteristischen orange-roten Haare fallen ihr wie ein Hahnenkamm ins Gesicht. Sie trägt Schwarz, bis auf die orangenen Socken, die aus ihren Slippern blitzen. Selbst in ihrem Zimmer scheint alles auf Jacksons Farbspektrum abgestimmt, von den goldenen Lampen bis hin zu den Lachsbrötchen auf dem Buffettisch. Jackson hat Glück, aus dem Fenster kann man nicht nur auf den hässlichen Potsdamer Platz, sondern auch auf die Siegessäule sehen, die am Horizont aus dem Nebel ragt. „Schöne Aussicht“ – ein Kompliment, das hier nur selten passt.
Die neuen Songs sollen sowohl eine Stimmung ausdrücken als auch die Situation, unter der die Platte entstanden ist. „Es war nicht einfach, das Album aufzunehmen. Ich könnte behaupten, es wäre einfach gewesen, aber das wäre eine Lüge.
Natürlich geht es auch um die Komplikationen, über die mittlerweile jeder Bescheid weiß und die ich nicht mehr weiter diskutieren muss.“ Mit Komplikationen meint Elly Jackson die Trennung von ihrem Band-Partner Ben Langmaid. Die Folge waren Panikattacken, die sich zuerst als Bühnenangst und später sogar in Stimmverlust ausdrückten. „Was die Stimmung des Albums betrifft, so geht es um die Vergänglichkeit des Glücks. Dem Ende einer Party und diesem Hauch von Spaß, der dann noch in der Luft liegt. Das, was bleibt, kurz nachdem etwas Schönes passiert ist, kann oft ziemlich depressiv sein.“
Andere Songs arbeiten den Ärger im Paradies textlich ab, „Tropical Cancer“ zum Beispiel, der die Geschichte eines Mannes erzählt, der zwar an einem paradiesischen Ort lebt, ihn aber nicht genießen kann. Die Ballade „Paradise Is You“ wird noch konkreter, barfuß im Sand, kristallklares Wasser. Insgesamt wirkt das neue Album weit weniger wütend, weniger angespannt als das letzte. Eine tropische Brise durchzieht die Songs auch musikalisch -zu Elektro kommt Calypso-Feeling und eine Spur Reggae. Die verrückten Geräusche aus „Kiss And Not Tell“ sind eine Reminiszenz an die New-Wave-Band Tom Tom Club samt Schreibmaschine, Squish- und Squash-Geräusche (deren feine Unterschiede nur der Sängerin in ihrer Gänze bekannt sind) und der Wacka-Wacka-Gitarre aus „Genius Of Love“ – Elly Jackson kann sie alle imitieren. „Ich mag es, wenn Sounds eine Suche nach Hinweisen symbolisieren.“
Dann schnarrt ihr Smartphone. Jackson nimmt ab, den Hahnenkamm lässt sie sich jetzt praktisch über die Augen fallen. Sichtschutz. „Entschuldigung, ich wäre nicht rangegangen, wenn es nicht wirklich wichtig gewesen wäre.“ Elly Jackson ist ein Kontrollfreak. Auch ein Problem, dass sie in den letzten fünf Jahren angehen musste. „So richtig fertig wird man damit nie, aber ich kann jetzt unterscheiden, über welche Dinge ich die Kontrolle behalten muss und welche ich abgeben kann.“ Dann redet sie wieder über Songs, die Aufnahmen, Basslines, ihre Vorliebe für elektronische Sounds und darüber, dass ihr nur eine gute Idee im Jahr kommt, maximal zwei. Perfektion gepaart mit Selbstzweifeln – auch deshalb hat es so lange gedauert, das Album fertigzustellen. Ob Elly Jackson irgendwann Urlaub macht? Man kann sich schwer vorstellen, dass sie den Hund Gassi führt oder im Jogginganzug das Mittagsprogramm im Fernsehen schaut. Gibt es ein Hobby? Etwas, womit sie abschalten kann und La Roux mal beiseite legt? Spontan fällt ihr dazu nichts ein. „Mein Haus vielleicht? Ich richte mir gerne mein Haus ein. Und ich koche ganz gerne. Das ist jetzt gar nicht feministisch, wenn ich so was sage, oder?“ Auch eine Feministin darf kochen.
Beim Song „Silent Partner“ bricht etwas von der früheren La Roux wieder durch. Es ist ein schnelles Stück, mit der alten, fordernden Haltung. Du bist nicht mein Partner und kein Teil von mir, singt Jackson. „All I need is silence“ – Ruhe, Punkt. Die Geschichte mit Langmaid sitzt immer noch tief. La Rouxs Konstante ist Elly Jackson, weil sie für die Melodien und Texte verantwortlich ist. „Aber La Roux wird immer ein Projekt bleiben“, sagt sie. Wer Jackson gut genug verstehen kann, darf bei dem Projekt mitmachen. Zeitweise.