Joachim Fuchsberger: der begnadete Schelm
Zum Tod von Joachim Fuchsberger, dem charmanten Onkel der Deutschen
Denkt man an Joachim Fuchsberger, dann sieht man einen graumelierten Inspektor in den Edgar-Wallace-Filmen der 60er-Jahre. Man sieht einen Moderator im Nachthemd mit einer Kerze in der Hand, der in seiner Show „Auf los geht‘s los“ vors Publikum tritt. Man sieht den Leutnant Asch in dem Nachkriegsfilm „08/15“, den Soldaten, der anständig geblieben ist. Man sieht den ein wenig eitlen und manierierten Gastgeber der Talkshow „Heut‘ nacht“, die er von 1980 bis 1991 veranstaltete, jeweils mit nur einem Gast. Und man sieht den alten Herrn, stolz und eloquent, im schlichten weißen Hemd unter schwarzem Jackett, in so vielen Quatschbuden des Fernsehens in den letzten Jahren, wo er würdig und bedächtig als Mahner und Bewahrer auftrat.
Gleich zwei Versionen gibt es über die Herkunft seines Spitznamens Blacky: In der einen Fassung soll eine Französin seinen früheren Einsatznamen beim Militär, „Jackie“, falsch verstanden haben, als er im Kriegsgefangenenlager war; in der zweiten Version empfahl ihm später jemand beim Bayerischen Rundfunk, vor der Sendung nicht so viel Whisky der Marke Black & White („Blacky“) zu trinken. Nun war Fuchsberger ein Mann der Frauen – ein fröhlicher Zecher war er nicht. Blacky blieb dabei: Beide Taufen habe es gegeben. Vielleicht waren es auch bloß seine sehr schwarzen Haare, die ihm den Beinamen einbrachten: Joachim Fuchsberger war ein schöner Mann, und er wusste um seine Wirkung.
Am 11. März 1927 in Stuttgart geboren, wurde er mit 16 von der Wehrmacht eingezogen, verdankte seinen Judo-Künsten die Verwendung als Nahkampf-Ausbilder, war Fallschirmjäger an der sogenannten Ostfront, wurde verwundet, erlebte das Kriegsende bei Stralsund, kam in russische, französische und englische Kriegsgefangenenlager und arbeitete 1946 in einer Zeche in Recklinghausen, dann im Druckbetrieb seines Vaters Wilhelm und in einem Verlag. 1949 war er bereits Werbeleiter der Deutschen Bauausstellung in Nürnberg – zu bauen gab es viel. Und 1950 begann er als Hörfunk-Sprecher in München. „08/15“ war ein Film, der den Deutschen zeigte, was sie schon immer geahnt hatten: Es war nicht alles schlecht vor 1945 – und Blacky Fuchsberger gab der Erleichterung das ehrliche Gesicht, dazu die Stimme, die Vernunft und das Joviale. 1954 heiratete er nach einer ersten Ehe, die bald geschieden wurde, Gundula Korte, die er beim Bayerischen Rundfunk kennengelernt hatte – mit Gundel blieb er bis zu seinem Tod zusammen, stets nannte er sie durchaus zärtlich „meine Regierung“.
In Heimatfilmen spielte Fuchsberger den manierlichen jungen Mann, bis 1961 die Edgar-Wallace-Filme begannen, die in billigen Kulissen und mit hanebüchenen Plots das neblige London vorgaukelten. Zwar sah Blacky nicht wie ein Engländer aus, aber er trug einen Trenchcoat und hielt manchmal eine Pfeife, und Eddie Arendt als Butler hatte sogar einen Bowler-Hut. Bei den Olympischen Spielen 1972 in München war Blacky der Stadionsprecher, und er wurde nicht müde zu erzählen, dass während der Abschlussfeier ein Zettel in seine Kabine gereicht wurde, auf dem er über die Warnung vor einem Terroranschlag informiert wurde – ein Passagierflugzeug sei im Anflug. Angeblich sollte Fuchsberger selbst darüber entscheiden, ob er das Publikum mit dieser Nachricht in Panik versetzen müsse. Er entschied sich dagegen.
Von 1977 moderierte der mittlerweile fast weißhaarige Blacky „Auf los geht‘s los“, eine große Samstagabend-Show in der ARD, und machte seinem Kollegen Hans-Joachim Kulenkampff die gönnerhafte Art ebenso nach wie die onkelhaften Säfteleien und manche Unbotmäßigkeit. Er nahm sich das Recht heraus, den Fantasten Erich von Däniken zu verteidigen und das frühreife Rundfunk- und Film-Früchtchen Desiree Nosbusch, und allmählich fanden viele Zuschauer den Conferencier zu selbstherrlich. in „Heut‘ nacht“ drehte Blacky betulich seine Brille und stellte Fragen, die länger und verzopfter waren als die Antworten, die er darauf bekam.
Enttäuscht vom deutschen Film, enttäuscht auch vom Fernsehen zog er 1991 nach Sydney, bekam eine Fernsehreihe („Terra Australis“) und stellte sich jeweils in den Mittelpunkt der erdkundlichen Exkursionen. Blacky entwickelte Selbstironie, und Tasmanien faszinierte ihn. In den letzten Jahren lebte er mit Gundel in Grünwald bei München, ging mit Ralf Bauer in einem Zwei-Personen-Stück auf Tournee, drehte mit Jan-Josef Liefers die Altenheim-Revolte „Die Spätzünder“ und schrieb vor allem das Buch „Altwerden ist nichts für Feiglinge“ (2010), einen Bestseller, ja ein Standardwerk. Sein einziger Sohn Thomas ertrank im selben Jahr in Kulmbach, wahrscheinlich nach einem Insulinschock; Blacky schrieb tapfer ein Buch über ihn. Noch vor zwei Monaten bat er einen Reporter der „FAZ“ in sein Haus in Grünwald, in das er nach einem Schlaganfall zurückgekehrt war, zeigte ihm Kladden und erzählte von einem Filmprojekt; es war ihm wichtig. Entschieden bekannte er noch einmal, dass er nicht an einen Gott im Himmel glaube. Er wusste, dass ihm nicht viel Zeit blieb, und er wurde nicht sentimental darüber.
Niemand wird ihm nachrühmen, dass er ein großer Schauspieler gewesen sei. Joachim Fuchsberger war eine Institution, ein Redner, ein bravouröser Überlebender – und am Ende beglaubigte er, dass der Sinn des Lebens im Leben selbst liegt. Wenn er mit dem Taxi von Grünwald in die Stadt fuhr, kaufte er an der Straße immer eine Tüte Lakritzbonbons, die ihm verboten waren. Heute starb der begnadete Schelm im Alter von 87 Jahren zu Hause.