Christina Aguilera: Morgen gibt’s die neueste Reinkarnation
Neben Santigold, M.I.A und Ladytron tummeln sich mit Le Tigre weitere prominente Verfechterinnen der melodischen Emanzipation auf "Bionic", dem neuen Album von Christina Aguilera, das morgen erscheint. Ein Blick in die vielen Gesichter der Miss. A.
In ihren Anfangstagen zeigte sich die junge Christina bisweilen sehr gerne rollig am Strand. Sie sehnte sich nach Berührungen, wollte in der richtigen Art und Weise berubbelt werden, wie sie freimutig in ihrem ersten Hit „Genie In A Bottle“ gestand: “ I’m a genie in a bottle, you gotta rub me the right way.“ Emanzipiert war das damals 19-jährige Popsternchen aber schon. Nicht, wie beispielsweise in der Hip-Hop-Kultur, der Mann, der in einem Candy-Shop die Frau seiner Wahl wie Ware einfach mitnimmt, sondern die junge Christina bestimmte, wann geschnackselt wurde: „Hormones racing at the speed of light/ But that don’t mean it’s gonna be tonight“ (Genie In A Bottle)
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Ein Album später, es ist mittlerweile 2002, nannte sich Frau Aguilera nur noch X-Tina. Das „X“ im Namen sollte die Loslösung vom braven Schulmädchenbild erleichtern. In Amerika werden Filme mit expliziter pornografischer Darstellung als X-Rated bezeichnet. X-Tina war jetzt richtig „Dirrty“. Aufdringliches Make-Up ziert die rund gewordenen Gesichtszüge, Christina steigt aufgehübscht in einen Ring. Das Rollen ist auch hier eine ihrer liebsten Fortbewegungsarten. Der Zuschauer sieht Schlamm, entblößte Oberkörper – aber nur von Männern, und den runden Po der Sängerin. Dennoch geht sie als Siegerin aus dem Ring, beherrscht den feier- und liebestollen Mob und verkommt nicht zur bloßen Fleischware.
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Auf die wilde Partyorgie folgt die Aufmunterungs-Nummer „Beautiful“. Der Pickel kann noch so groß, das Schielen noch so offensichtlich sein „You are beautiful no matter what they say“! Im Video wird sogar das Cover einer Ausgabe der Vogue verbrannt. An Pathos ist der Song kaum zu überbieten – dennoch, die Aussage ist nicht unmenschlich. Derlei Waldorf-Mentalität wird freilich gern belächelt, klingt nach Gutmensch. Aguilera zeigt aber einen Gegenentwurf zu den diktierten Idealen der glamourösen Pop-Welt, wenngleich sie, zumindest im Gesicht, dick aufträgt und so die Botschaft unter all dem Puder deutlich leidet.
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Die Entwicklung vom kleinen Mädchen über das Dirrty-Girl zur Waldorflehrerin, über eine Frau, die ein Kind bekam jetzt hin zur Lady-Gaga-Hardcore-Porno-Domina (in ihrem Video zu „Not myself tonight“) – irgendwie wird man daraus nicht sonderlich schlau. Sex soll ja verkaufen, aber warum reibt sie sich denn mit einer Reitgerte im latex-bespannten Schritt? Warum hat sie einen Ball im Mund, der mit einem Band um den Hinterkopf fixiert wird? „Not myself tonight“ erinnert musikalisch stark an „Dirrty“, aber es ist um einige Grade sexueller. Aguilera wirkt als hätte sie zu viele Filme mit Sasha Grey und Belladonna gesehen.
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Auf ihrem neuen Album „Bionic“, das morgen erscheint, versammelte sie jetzt Künstler wie Santigold, M.I.A., Ladytron und Le Tigre. Die blonde Christina also als Riot Grrl? Sie ist sicherlich emanzipiert und wirkt eigenverantwortlicher als Kollegin Spears, aber reicht das? Den Titel „I Hate Boys“ den sie zusammen mit Le Tigre aufgenommen hat kann man sich jetzt schon anhören. „I hate boys, the boys love me“ singen sie da vereint im Refrain. Zu sicher sollten sich die Damen aber nicht sein. Christina ist ja immerhin verheiratet, hat ein Kind und ist finanziell sicherlich keine schlechte Partie, dennoch: Auch andere Mütter haben schöne Töchter.
Man darf gespannt sein, was das morgen erscheinende Album noch für Überraschungen parat hat.