Der Allerschrillste. Zum Tode des Schauspielers, Regisseurs, Fotografen und Kunstsammlers Dennis Hopper.
Am vergangenen Freitag gab Dennis Hopper, der Herausforderer von Hollywood, der Allerschrillste, im Alter von 74 Jahren seinen lebenslangen Kampf auf. Ein Nachruf von Arne Willander.
Er war der letzte jener Generation von Schauspielern, die als Rebellen von Hollywood galten – und zugleich gehörte er zu den Bilderstürmern, die das „New Hollywood“ nicht begründeten, aber mit erratischen Aktionen aufbauten, ohne das im Sinn zu haben. Dennis Hopper war in den frühen Fünfzigern aus Texas nach Los Angeles gekommen, ein hoffnungsvoller Schauspiel-Eleve, der unter den jungen Wilden nicht besonders auffiel. Er geriet in den Zirkel um James Dean, der seinerseits Marlon Brando bewunderte, der wiederum einiges von dem etwas älteren Montgomery Clift abgeschaut hatte. In „Rebel Without A Cause“ hatte Hopper eine unscheinbare Nebenrolle, und auch in „Giant“ – Deans letztem Film – war er nur der brave Bräutigam von nebenan. Aufgrund seines oft unflätigen Betragens wurde er auf die schwarze Liste von Hollywood gesetzt, die es offiziell natürlich nie gab. Er schlug sich dann so durch.
1968, die Zeiten hatten sich geändert, plante er mit einigen Freunden um Peter Fonda – den Sohn des konservativen Kinostars – unabhängige Filmprojekte, darunter einen Motorradfilm, dem bloß noch ein Drehbuch fehlte. Der junge Produzent Bert Schneider gab dem drogenvernebelten Haufen 350 000 Dollar, man verpflichte drei Kameraleute und ein paar Hippies, die im Produktionsbüro auf dem Boden hockten, und machte sich an die Dreharbeiten. Für ein paar Aufnahmen reiste man ohne Plan nach New Orleans und filmte ein paar improvisierte, verwackelte Szenen. Der Film, der schließlich „Easy Rider“ hieß, hätte eine Katastrophe werden können und sah auch nicht gerade professionell aus, doch seine Schöpfer stritten um die Credits für Produktion, Regie und Drehbuch (das alles hatte es ja nicht gegeben), weil sie von einer Oscar-Auszeichnung überzeugt waren. So teilten sie die Trophäen untereinander auf – Hopper hätte die für Regie und Schauspieler bekommen. Es gab dann zwar keinen Oscars, doch spielte der Film über 50 Millionen Dollar ein, damals eine ungeheure Summe.
Dennis Hopper prahlte später, er habe das Kokain nach Kalifornien gebracht. Nach seinem Erfolg soff und kokste er, sein neuer Film sollte der größte aller Zeiten werden und auch gleich „The Last Movie“ heißen. Beinahe wäre es sein letzter Film geworden, denn 1970 ging Hopper mit einer riesigen Crew nach Mexiko und errichtete dort ein Filmdorf, das allen Abschaum der Gegend anzog und jede Menge Hippies, die Drogen und Sex suchten. Hopper agierte zunehmend erratisch und unzurechnungsfähig; ein Drehbuch brachte er nicht zustande. Als der Wahnsinn eskalierte, setzte er sich im Rausch in ein Flugzeug nach Los Angeles und versuchte dort, die gefilmten Schnipsel zu einem Film zusammenzukleben, doch das Projekt blieb eine Ruine.
Trotz seines üblen Rufes nahm Francis Ford Coppola ihn 1976 auf die Philippinen mit, wo das nächste Himmelfahrtskommando gedreht wurde. „Apocalypse Now“ versank erst im Monsunregen, dann erlitt der Hauptdarsteller Martin Sheen einen Herzinfarkt. Nun gab Coppola den Dschungelfürsten, betrog seine Frau und kämpfte mit Marlon Brando und Hopper, der den versoffenen Fotografen nicht nur spielte. Als Hopper endlich abgereist war, akzeptierte er das Angebot von Wim Wenders, in dessen Film „Der amerikanische Freund“ mitzuspielen. Wenders erinnert sich daran, wie Hopper in einem Sommerhemd und ohne Gepäck am Hamburger Flughafen ankam. Die Rolle des Ripley neben Bruno Ganz wurde eine der großen, lässigen Darstellungen des Dennis Hopper.
Er drehte noch einige Filme, die von den Studios verstümmelt wurden. 1986 schockieret er in David Lynchs rätselhaftem „Blue Velvet“ als psychopathisches Monster mit Sauerstoffmaske, das sich Isabella Rossellini wimmernd und fluchend vor die Füße wirft. Das Polymorph-Perverse wurde neu definiert. Hopper durfte einen überraschend konventionellen Polizeifilm mit drehen, „Colors“ (1988), und in „Speed“ noch einmal den durchgeknallten Schurken geben. Viel Arbeit hatte Hollywood aber nicht mehr für ihn. Hin und wieder sah man ihn in B-Filmen, vor zwei Jahren noch in Wim Wenders‘ „Palermo Shooting“: Er spielte den Sensenmann.
Mehr Aufmerksamkeit bekam er für seine fotografischen Arbeiten und seine Sammlung amerikanischer Avantgarde-Kunst. Für eine Autofirma drehte er einen Werbespot, in dem er seinem Alter ego aus „Easy Rider“ begegnete. Er heiratete noch einmal, trat als Kunstfreund und geläuterter Grandseigneur auf und freute sich auf einen erfüllten Lebensabend. Doch noch im letzten Jahr, als er um seine schwere Krebskrankheit wusste, verklagte er seine Ehefrau wegen Diebstahls und reichte die Scheidung ein. Im März bekam er endlich den verdienten Stern auf dem Hollywood Boulevard. Abgemagert und kraftlos, machte er noch ein paar Scherze mit den Fotografen. Ein paar Tage später brach er vor seinem Haus zusammen, lag bewusstlos auf dem Asphalt: ein Bild des Jammers.
Am vergangenen Freitag gab Dennis Hopper, der Herausforderer von Hollywood, der Allerschrillste, im Alter von 74 Jahren seinen lebenslangen Kampf auf. Arne Willander