Nick Kent: „Apathy For The Devil“. Die grandiose Autobiographie des britischen Musikjournalisten.
Gegen Hippies, Nabelschauen und Virtuosität - Nick Kents "embedded music journalism", den er auf geradezu spektakuläre Art und Weise für den NME betrieb.
Die Auflage der traditionsreichen wöchentlichen Pop-Postille „New Musical Express“ war auf 63 000 geschrumpft, der Eignerverlag IPC verhängte ein Ultimatum. Binnen zwölf Ausgaben musste das schwindsüchtige Blatt in die Gewinnzone bugsiert werden, andernfalls drohte die Einstellung. Es war Anfang 1972, die Konkurrenz vom „Melody Maker“ bediente bereits erfolgreich eine Klientel, die „po-faced musical virtuosity“ goutierte und in „post-hippie navel gazing“ erstarrt war, wie Nick Kent die musikalische Geißel Prog-Rock charakterisiert. Also riss die Redaktion des „NME“ in ihrer Not das Ruder in die entgegengesetzte Richtung herum. Man verpflichtete eilends eine Handvoll jung-intellektueller, passionierter und ambitionierter Schreiber, die sich in Underground-Gazetten einen Namen gemacht hatten und gab ihnen eine Plattform.
Als Nick Kent die Offerte erhielt, musste er nicht lange überlegen. Geld zu verdienen mit Plattenhören und Konzertbesuchen erschien dem Studienabbrecher, seinerzeit Aushilfskraft bei der Post in Sussex, keine üble Sache. Und das Beste: Er musste sich nicht krümmen, wurde geradezu ermutigt, seine höchst persönlichen Gedanken über geliebte wie verhasste Musik in unverfälschter Prosa zu Papier zu bringen. Das Konzept des radikal an Persönlichkeiten aufgehängten „new journalism“ traf den Nerv der aufdämmernden Anti-Pomp-Epoche, bis Jahresende war die Auflage des „NME“ um fast das Dreifache gestiegen. Für Kent brachen aufregende Jahre an, er avancierte zum Kumpan seiner Idole wie Iggy Pop und die Stones, begleitete die Helden bei Tourneen und ungesunden Eskapaden.
„Embedded journalism“ sozusagen, nicht an Bord von Panzern als Berichterstatter über Kriegsgräuel, indes nicht weniger selbstmörderisch. Kent hing bald an der Nadel, ein Kollateralschaden seines neuen Lebensstils. „A 1970s Memoir“, so der Untertitel seiner etwas episodenlastigen, aber recht schonungslosen Erinnerungsschrift, handelt nicht zuletzt von diesem traurigen Niedergang. Der „NME“ wurde noch wichtiger gen Ende der Siebziger, Nick Kent versumpfte.
Das Buch ist auf Englisch bei Faber and Faber erschienen (ca. 22 Euro)
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Nick Kent über sein neues Buch:
Foto: Faber & Faber