Berlin Festival 2014: Wenn der Bass einsetzt, zählt nur noch eines – tanzen, tanzen, tanzen
Zum ersten Mal fand das Berlin Festival in diesem Jahr am neuen Standort an der Spree statt. Autorin Kristina Baum teilt ihre Eindrücke aus drei Tagen Party mit Darkside, Woodkid und K.I.Z. und übt gutgemeinte Verbesserungskritik am Traumkonzept der Veranstalter.
Anders ist erstmal nie gut. Ob das ein deutsches Phänomen ist, wage ich gar nicht erst auszusprechen, Tatsache ist aber, dass vor dem Start des Berlin Festivals 2014 viel gemosert wurde. Als hätte man als Besucher ein Recht darauf, den Ist-Zustand SEINES Festivals mitbestimmen oder sogar verteidigen zu dürfen. Aber so ist es eben nicht. Und so musste man auch akzeptieren, dass jene, die wirklich die Zügel in der Hand haben, den Arena Park als Standort schöner als den Tempelhofer Flughafen fanden. Dementsprechend müssen sich die Veranstalter aber auch ein extra hartes Fell zulegen, wenn Gewohnheitstiere die vergangenen drei Tage Revue passieren lassen.
„Berliniger“ sollte es mit dem kurzfristig angekündigten und doch schon länger geplanten Umzug werden. Die Möglichkeiten in Tempelhof waren hierfür begrenzt, die Hangars und das weitläufige Betongelände ließen sich nie gänzlich so modifizieren, wie es die Macher gern gehabt hätten. Der Vibe, der die Hauptstadt umgibt, wäre dort nur wieder eine künstliche Fassade gewesen. Im Arena Park zwischen Treptower Park und Schlesischem Tor konnte man dagegen die Berliner Club-Kultur in realem Umfeld mit dem Festival kombinieren. Arena, Glashaus, Badeschiff, Club der Visionäre, Hoppetosse, all die Locations, die an jedem Wochenende einzeln zur Verfügung stehen, waren vom 5. bis 7. September die Spielwiese für 20.000 Besucher. Der Vorteil daran: Das Angebot war riesig, die Schauplätze und Bühnen abwechslungsreich. Der Nachteil: Viele Räumlichkeiten sind schlichtweg zu klein, um 20.000 Leuten die Möglichkeit zu bieten, den Act zu sehen, für den sie bezahlt haben. Am Glashaus und an weiteren Stages bildeten sich so am Samstag lange Schlangen, sodass dem spontanen Stage-Hopper letztlich oft nur die große Arena-Mainstage blieb. Very Berlin eben, dieses Anstehen und eigentlich auch nichts anderes als jedes Wochenende.
Am musikalischen Angebot gab es, zumindest für Elektro-Freunde, nichts zu beanstanden. Einer der letzten Auftritte von Darkside, bevor sich das Duo auflöst, riss am Freitag das Publikum aus der Pre-Party-Lethargie, DJ Koze und Schlachthausbronx läuteten viel umfeiert den Samstagmorgen ein. Am zweiten Festivaltag schwitzten die Besucher erstmals richtig bei den Federschmuckexperten Crystal Fighters, die um 17 Uhr eine Show lieferten, wie sie als Headliner um 00 Uhr nicht besser hätte laufen können. Mit Bombay Bicycle Club und Editors auf der Mainstage kamen dann auch Indie-Fans zwischen all den Beats auf ihre Kosten. Im White Trash stapelten sich kurz danach um 23 Uhr die Fans bei Bilderbuch, und ein bisschen Kapitalismus-Kritik durfte bei den überheblich-sympathischen Wienern mit dem Ich-steh-voll-im-Saft-Hüftschwung nicht fehlen. Statt mehr Platz für die draußen wartenden Besucher zu schaffen, hatte das Burger-Restaurant verboten, Tische umzustellen. Pech gehabt und das Publikum buht.
„Keine Nacht für niemanden“, der Leitspruch des 48-Stunden-Marathons geht voll auf. Bis in die frühen Morgenstunden drängen sich die Zuschauer durch die labyrinthartigen Gänge auf dem Arena-Gelände und je später der Morgen, um so angenehmer wird es wieder, man steht sich weniger auf den Füßen und hat in den kleineren Locations wieder Platz zum Tanzen (und Atmen). Erst am späten Sonntagnachmittag kehren die Gäste, die 48 Stunden für schlichtweg unmöglich halten, zurück – für die „Hurensöhne“ von K.I.Z. (an dieser Stelle sei die Mutter nett gegrüßt), poppige Töne von Jessie Ware, epochalem Bläser-Drum-Getöse von Woodkid und dem Komplett-Abriss durch Moderat und Trentemøller.
Klar kann man sich immer noch darüber beschweren, dass der groooße Act fehlt. Stattdessen könnte man aber auch einfach die Zeit nutzen, um noch unbekannte Musik kennen- und lieben zu lernen. Wem Bier trinken, Katzenmasken und Crop-Tops mit Punkbandaufdrucken aber wichtiger als die Musik sind, der hat das Prinzip Festival aus den Augen verloren – ganz früher, da ging es nämlich mal darum, unglaublich viele Bands auf einem Haufen zu hören und Neues zu entdecken, so kenne ich das jedenfalls noch. Dem „neuen“ Berlin Festival die Schuld zu geben, dass man keinen Spaß hatte, ist daher völliger Blödsinn. Auch wenn es die typischen und manchmal lästigen Kinderkrankheiten auf dem Arena-Gelände gab, wenn der Bass einsetzt, zählt nur noch eines: tanzen, tanzen, tanzen.
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