WIE GUT IST DER NACHLASS VON MICHAEL JACKSON?

DAS SETTING

Der von den Nachlassverwaltern bestellte „Kurator“ Antonio „L. A.“ Reid, Studioveteran und Epic-Chef, erklärt schon den Ein-Wort-Titel „Xscape“ zur Respektssache -so hielt man es seit „Thriller“. Zum „Kontemporarisieren“ des Materials habe er, wo schon nicht echte ehemalige, so doch tolle Mitarbeiter gefunden, mit denen Jackson sicher gern gearbeitet hätte.

DIE DESIGNER

Mit Timbaland leitet ein stets zuverlässiger Produzent das Team. Zu diesem gehört mit Rodney Jerkins sogar ein Produzent, der an einer Originalvorlage, dem Titelsong, beteiligt war. Mit dabei sind außerdem Jerome Harmon alias J-Roc, den sich Timbaland öfter – etwa für Beyoncé, Chris Cornell oder Justin Timberlakes „20/20-Experience“ – an die Seite holt, sowie das norwegische Allzweck-Duo StarGate, das von Lionel Richie und Mariah Carey zu Rihanna und Iggy Azalea ungefähr jeden R&B-Pop der letzten zehn Jahre mal betreut hat.

DAS DESIGN

Meist sachdienlich modernisiert, erkennt man Timbalands kontrastreiche Räume, die sprunghaften bis flirrenden Streicher, die kubischen Bässe. Ziemlich schick groovt ein fett federnder Keyboardbass bei „A Place With No Name“, bei „Loving You“ hört man Handclaps zu effektivem HipHop-Soul, der weich in den Refrain fließt, und „Blue Gangsta“ bebt wuchtig und zugleich nervös mit dramatischen Orchesterwehen. Manches erinnert etwas ans letzte Timberlake-Album – angesichts dessen Jackson-Verehrung ein lustiger historischer Spiegeleffekt.

DER DELUXE-EFFEKT

Man ist sich im Hause Epic der Sache offenbar sehr sicher. Zur Überprüfung gibt es als Deluxe-Bonus alle acht Songs des Albums in den Originalversionen dazu. Manche Stücke erscheinen auch als Duette, zum Beispiel der Paul-Anka-Song „Love Never Felt So Good“, für den man -etwas verwirrend -Justin Timberlake geholt hat.

DAS MATERIAL

beruht auf Demos der letzten 30 Jahre. Manches geistert schon ein Weilchen im Netz. Es reicht von „Off The Wall“-artigem Disco-Swing über ein „Dangerous“-Überbleibsel bis zum titelgebenden Outtake von „Invincible“ von 2001. Auf „Blue Gangsta“ klingt der Gesang unvorteilhaft rockig-rau, aber meist schmeichelt, kiekst und seufzt der King of Pop wie je.

UND SONST?

Insgesamt ein geschmackvollerer Umgang mit dem Erbe als auf dem postumen Schnellschuss „Michael“ von 2010. Man ahnt gelegentlich, warum Jackson die Songs einst aussortierte; trotzdem bekommt man mit „Xscape“ ein solides Jackson-Album, für das sich niemand zu schämen braucht – wenn man solche Verweserumtriebe nicht grundsätzlich ablehnt. Um die königliche Erbindustrie muss man sich nicht zu sorgen: 700 Millionen Dollar hat Jackson seit seinem Tod 2009 verdient. Und das Archiv ist voll.

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