Echo 2010: Die Preisträger. Die Performances. Die besonderen Vorkommnisse.
Gestern Abend kam es im nicht wirklich glamourösen Palais am Berliner Funkturm im Kreise von 4.000 ausgewählten Gästen zur Verleihung des schwergewichtigsten deutschen Musikpreises - dem Echo.
Deutschlands bester Newcomer ist eine Coverband. Tusch, bitte. The Baseballs – drei junge Menschen, die sich die Frisuren und die Musik der 50er und 60er leihen, auf diese Weise aktuelle Hits wie „Umbrella“ von Rihanna verwursten, und sich dabei Sam, Digger und Basti nennen. Die Drei bekamen den Echo in der Kategorie „Bester Act National“, was im Falle dieses Preises bedeutet, dass sie in der Rangliste der Media Control-Charts am Besten gepunktet haben. Denn beim Echo, der bekanntlich von der Deutschen Phono Akademie verliehen wird, zählt in den meisten Rubriken nur der schnöde kommerzielle Erfolg. Also, Gratulation an die Baseballs: Wir wünschen viel Glück und eigene Ideen!
Aber man will ja nicht sticheln: Was gestern in Berlin über die Bühne des Palais am Funkturm und über den lilafarbenen Teppich davor stöckelte und stapfte, konnte sich wirklich sehen lassen und bewies, dass Deutschland weiterhin auch international ein wichtiger Markt zu sein scheint. Rihanna schaute vorbei, gab nachmittags sogar noch Autogramme in Berlins hässlichstem Kaufhaus und legte abends eine solide Performance hin, bei der sie spreizbeinig und mit Puschel am Hinterteil mit zwei Roboterwesen tanzte und dabei „Rude Boy“ sang. Was die Künstlerin damit sagen wollte? Man weiß es nicht.
Weitaus graziöser geriet natürlich der Auftritt von Sade, unserem Titelstar im Februar. Sie verzichtete sogar darauf, Moderator Karl Lauer, pardon Matthias Augustinus Wilhelm Georg Opdenhövel (bekannt aus Qualitätssendungen wie „Schlag den Raab“), dafür zu rüffeln, dass ihr Song immer noch „Soldier of Love“ heißt und nicht „Soldier of Looooooooooooooooooove“. Den „Rückentrick“ von Sade gab’s diesmal sogar gleich am Anfang.
Gossip sind nun also auch auf den Showbühnen der ARD angekommen. Es ist ihnen zu gönnen. Beth Ditto war diesmal zwar exzentrisch aber doch eher züchtig bekleidet, wie sie da „Heavy Cross“ sang, vor der pompösen Bühnengestaltung ihre Bühnenkilometer machte und sich auch vom Feuerwerk drum rum nicht beeindrucken ließ. Viel zu selten im Bild war mal wieder Drummerin Hannah Blilie, die mit perfekter Tolle und unschlagbarem Tomboy-Charme eigentlich ein ähnlicher Blickfang sein sollte wie Miss Ditto.
Robbie Williams – der an dem Abend seinen siebten Echo in einer Kategorie („Künstler International Rock / Pop“) bekam, und damit der erfolgreichste Solokünstler in der Echo-Geschichte ist – wählte einen eher dezenten Vortrag. Im smarten Anzug, locker hüftschwingend sang er „Morning Sun“ und verzichtete auf zuviel Tamtam.
Preise gab es zwischen den Performances natürlich auch noch, obwohl die Übergaben traditionell natürlich nicht wirklich unterhaltsamer ausfielen. Außer vielleicht die Übergabe von Uschi Blum alias Hape Kerkeling. Nach Eigenaussage auf schweren Beruhigungsmitteln übergab sie den Echo in der Kategorie „Schlager“ an Andrea Berg. Es ist ihr fünfter.
Die Gewinnerin des Abends glänzte ähnlich wie die die Bühnendeko von Gossip – allerdings mit Abwesenheit (um sich mal einmal auf das Witzniveau von Moderator Matthias Augustinus Wilhelm Georg Opdenhövel zu begeben). Lady Gaga ist die „Beste Newcomerin international“, „Beste Künstlerin Rock / Pop international“ – und ihr Song „Poker Face“ ist der Hit des Jahres.
Die „Beste Gruppe“ national ist laut Echo Silbermond, international sind es Depeche Mode, die ihren Preis selbst entgegennahmen – im letzteren Fall passt dann auch mal dieses Adjektiv „beste“, das bei Preisen dieser Art, die ja nicht die Qualität sondern die Verkaufszahlen bewerten, immer so selbstverständlich und anmaßend benutzt wird.
Peter Fox, der trotz Solokünstlerrente noch fünf Mal nominiert war, ging verhältnismäßig leer aus, was ihm im Gegensatz zum Trubel im Vorjahr sicher sehr zupass kam: Sein Album „Stadtaffe“ ist immer noch das „Album des Jahres“.
Den Preis für sein Lebenswerk erhielt Peter Maffay, was im Angesicht seiner Arbeitstier-Mentalität sicher klargeht.
So könnte man endlos weitermachen, deshalb hier nun endlich die vollständige Liste aller Preisträger.
Alle Preisträger im Überblick:
Künstler National Rock/Pop: Xavier Naidoo
Künstler International Rock/Pop: Robbie Williams
Künstlerin National Rock/Pop: Cassandra Steen
Künstlerin International Rock/Pop: Lady GaGa
Gruppe National Rock/Pop: Silbermond
Gruppe International Rock/Pop: Depeche Mode
Künstler/Gruppe Deutschsprachiger Schlager: Andrea Berg
Künstler/Gruppe Volkstümliche Musik: Kastelruther Spatzen
Künstler/Gruppe National/International HipHop/Urban: Jan Delay
Künstler/Gruppe National Rock/Alternativ/Heavy Metal: Rammstein
Künstler/Gruppe International Rock/Alternative/Heavy Metal: GreenDay
Album des Jahres National/International: Peter Fox – „Stadtaffe“
Bester Newcomer National: The Baseballs
Bester Newcomer International: Lady GaGa
Hit des Jahres National/International: Lady GaGa – „Poker Face“
Beste Musik-DVD-Produktion National: Helene Fischer „Zaubermond Live“
Bester Live-Act National: Silbermond (Publikumsvoting über die Internetseiten der ARD-Pop- und jungen Wellen)
Bestes Video National: Sido – „Hey Du“ (Publikumsvoting über die Internetseite „myvideo.de“)
Erfolgreichster Produzent/Erfolgreichstes Produzententeam National: Andreas Herbig, Peter „Jem“ Seifert, Florian Fischer, Adel Tawil, Annette Humpe und Sebastian Kirchner für „Ich + Ich“
Kritikerpreis National: Jan Delay – „Wir Kinder vom Bahnhof Soul“
Medienpartner des Jahres: SWR
Handelspartner des Jahres: Amazon
Würdigung des Lebenswerkes: Peter Maffay
Ehren-Echo für soziales Engagement: Reamonn-Sänger Rea Garvey und die Stiftung „Saving an Angel“