Krach mit Köter
Duz‘ ma uns, oder? Ich bin fei der Peter. Du wast ja, wo i bin. Direkt gegenüber vom Doni.“ In Bad Steben in Oberfranken. 578 Meter über dem Meeresspiegel, das höchstgelegene Staatsbad Bayerns, Therme, Kurpark, eine Spielbank, drei Heilquellen, 1.905 Einwohner, nächstgrößere Stadt ist Hof. Beim Biedermeier-Fest schauen Frauen in Reifröcken Männern auf Hochrädern zu. Seit 2003 ist auch der Peter wieder da. Der Peter heißt mit Nachnamen Diezel. Er baut ziemlich laute Verstärker.
Nehmen wir „Stockholm Syndrome“ von Muse. Wer diesen Song live gehört hat, dann garantiert durch einen Diezel VH4. Matthew Bellamy hatte für die Albumaufnahmen zu „Absolution“ einen solchen Vierkanal-Verstärker ausgeliehen. Der dröhnende, aber niemals matschende Klang, die Mitten betonende, verzerrte Lärm, der am Ende wohlklingt und nie das Trommelfell zerschneidet, hat ihn überzeugt. Er musste einen eigenen besitzen. Natürlich hören wir auf Platte mehrere Amps gemischt. So machen das die Musiker mit ihren Gitarrentechnikern und Produzenten. Letztendlich hört man zwei Vox Ac 30, einen Marshall-Amp und eben den Diezel VH4. Live benutzt Bellamy größtenteils nur den Diezel.
Peter Diezel ist ein kleinerer, kräftiger Mann, rasierter Kopf, rasierte Wangen, goldene Kette um den Hals. Zur Begrüßung reicht er die starken Hände, die sagen, hier wird noch richtig gearbeitet. In der Endfertigung sind sie zu fünft. Er, Vater Herbert, Hund Einstein, Frau Sawaki und Sohn Max. Die Gehäuse werden in Dillingen hergestellt. Früher war hier die Schreinerwerkstatt von Diezels Onkel. 2006 haben sie angebaut. „Die Firma zahlt die Miete und der Papa hat einen Kredit aufgenommen“, sagt Diezel. Sein Fränkisch klingt geerdet. Der Vater stammt ursprünglich aus Bad Steben, zieht aber drei Jahre vor Peters Geburt im Jahre 1957 nach Hof. Peter Diezel will nach der Schule erst mal raus, nach München. „Wenn man in Hof der beste Gitarrist ist“, setzt er an und bricht ab, „ich bin ja eigentlich ein schlechter Musiker. Deswegen mach ich das ja hier.“ „Das“ heißt Amps entwickeln für James Hetfield, Matthew Bellamy, Billy Corgan, Adam James von Tool, John Fogerty oder Richie Sambora. Von Hand verlöten, die Platinen selbst am Computer designen. Verstärker für 3.000 Euro bauen, von denen große Gitarristen sagen, dass sie diesen Diezel-Sound lieben. „Diesel“ auf amerikanisch mit weichem „S“. Diezel macht 1979 seine Ausbildung zum Radio-und Fernsehtechniker, holt sein Fachabitur nach. Studiert Maschinenbau und später Elektrotechnik; was noch schlimmer war, wegen der Mathematik. Er spielt weiter in Bands, zur Haarspray-und Van-Halen-Zeit. Diezels Verstärker, ein Peavey Deuce, will einfach nicht richtig klingen. Weder nach Haarspray noch nach Van Halen. In Eigenbau modifiziert er also seinen Peavey. Diezel setzt eine Röhre ein. „Ich hatte letztlich technisch und klanglich keine Ahnung, sondern habe einfach probiert.“ Er verändert Verstärker für befreundete Musiker, bis am Ende nur noch das Original-Gehäuse übrig bleibt. Bis heute. So lange, bis es passt. Und es hat gut gepasst. Mit seinem Freund Peter Stapfer gründet er 1992 die Diezel GmbH. Stapfer kümmert sich um den Vertrieb und die Finanzen. Diezel fertigt und entwickelt. Der erste amerikanische Kunde ist Adam Jones von Tool. Sein Gitarrentechniker entdeckte den Diezel VH4. Er macht Diezel in L. A. bekannt. 1997 kommt Robin Finck von Guns N’Roses dazu. 2003 entdecken Hetfield und Bellamy die Diezel-Verstärker. Wir hören ihn auf „St. Anger“ und „Absolution“. 500 bis 1.000 Stück produziert Diezel jedes Jahr.
Peters Vater Herbert ist 75. Wenn er nachts nicht schlafen kann, hilft er ein bisschen an der Arbeitsplatte. Mit dem „Herbert KT77“ hat er ihm ein Denkmal gesetzt. Ein 28 Kilogramm schweres Topteil. „Einstein“ wiederum heißt der braune Mischlingshund und ein Combo, also Box und Verstärker in einem. Diezels Nachbar „Schmidt“ ist ebenfalls zum Topmodell geworden, ein sanfteres Class-A mit 30 Watt. Keine Angeber-Namen, sagt er bestimmt. Keinen Turbo MX oder Super-Blitz-900. Nur Schmidt, Herbert und Einstein.
PRODUKTCHECK
KLANGSTARKE KAMPFKISTEN
Sicherlich gibt es kostengünstige Einstiegsverstärker zum ersten Herumgedröhne. Doch wer aus seinem E-Gitarrenspiel eine hohe Kunst machen will, greift irgendwann zum edlen Qualitätsgerät
FÜR CLASSIC-ROCKER
MARSHALL JVM 410H Vollröhrentopteil, 100 Watt, 4 Kanäle mit 12 Grundsounds, um 1.400 E
FÜR EDEL-ROCKER
DIEZEL Herbert KT77 Vollröhre, handgemacht in Bayern, 180 Watt, drei unabhängige Kanäle, um 2.900 E
FÜR PSYCH-ROCKER
ORANGE AD 30TC Gitarren-Röhren-Amp-Combo, Class-A-Vintage-Sound-Klassiker, 30 Watt RMS Class A, 2 unabhängige Kanäle, um 1.500E
FÜR LOS-ROCKER
Diezel Einstein 50W Combo KT77, Zwei-Kanalmodus, vier verschiedene Sounds, zwei Effekt-Loops, um 1.900 E
FÜR BLUES-ROCKER
FENDER 65 Deluxe Reverb Vollröhre mit fendertypischem Federhall und Röhrenvibratoeffekt, um 1.270 E