Das Ende der Ära Stinkstiefel
ES IST BERND STROMberg zu verdanken, dass wir ziemlich genau wissen, wie die Hölle aussieht. Es ist ein kleiner Schreibtisch in einem miefigen Versicherungsbüro, an dem man – umgeben von Flitzpiepen wie Muttersöhnchen Ernie, Hohlbirne Ulf und Spießerin Tanja -täglich das Gleiche erledigen muss, um sich dann noch vom wildgewordenen Abteilungsleiter abkanzeln zu lassen. Zehn Jahre lang spielte Christoph Maria Herbst diesen Stinkstiefel-Chef namens Stromberg, eine tragische Figur in einer der lustigsten Fernsehserien, die es in Deutschland je gab. Am 20. Februar läuft nun „Stromberg – Der Film“ an; eine „Deluxe-Edition“ der fünf Staffeln mit viel Bonusmaterial ist gerade erschienen. Zeit, diesen Typen noch einmal genauer anzuschauen, dem die Kameras folgen, als drehten sie eine Dokumentation über ihn -ein geschickter Schachzug, um Authentizität vorzutäuschen und gleichzeitig eine Nähe zu schaffen, die man zu einem offensichtlich fiktiven Charakter vielleicht nicht aufbauen würde. Stromberg geht einem bei aller Hybris auch ans Herz, weil man sein Scheitern hautnah miterlebt.
Im Film unternimmt Stromberg einen Betriebsausflug mit seinen Kollegen, der mit einem Paukenschlag endet. Man will die Pointe nicht verraten, denn selbst gewiefte Seriengucker werden überrascht sein -und so etwas passiert ja nicht gerade oft. Die größte Schwierigkeit war allerdings, den Film überhaupt erst mal finanziert zu bekommen. Am Ende funktionierte es mit Crowdfunding. Herbst (der jetzt wieder schick angezogen und bartlos ist) macht keinen Hehl daraus, dass er sehr dankbar ist für die Unterstützung: „Die eigene Fresse noch mal auf der Leinwand zu sehen – das ist schon ein wunderbares Geschenk für uns alle, das uns letztendlich vom Fan gemacht wurde, der mit keinem geringen Betrag an dem Film beteiligt ist, nämlich mit einer Million. Er hat aber auch eine reale Chance, die Kohle plus Rendite zurückzukriegen.“
Die zweite große Herausforderung war, eine tragfähige Geschichte zu erzählen und nicht nur vier Fernsehfolgen am Stück. Deshalb die Idee mit dem Betriebsausflug: So kann man den Büros entfliehen, die sattsam bekannt sind, und Stromberg und Kollegen noch mal ganz neuen Situationen aussetzen. Das Drehbuch stammt natürlich wieder von Ralf Husmann, der bei „Stromberg“ wohl seine Bestimmung gefunden hat. Während seine „KulturSpiegel“-Kolumnen meistens sensationell unlustig sind, sitzt hier jede Pointe. Herbst verlässt sich voll auf ihn: „Ich habe irgendwann begriffen, dass der Husmann das kann. Der braucht keinen wie mich, der sich einmischt. Ich würde mir auch verbitten, dass er sich dabei einmischt, wie ich den Stromberg spiele. Dafür gibt es ja Arbeitsteilung! Der Husmann
kann nicht spielen, ich kann nicht schreiben, bumms.“ Nun klingt er doch genau wie Stromberg, aber das macht nichts. Herbst betont gern die Widersprüchlichkeit seiner Figur: „Stromberg ist nicht nur Arsch, der tut einem ja auch leid. Wenn er immer wieder scheitert, will man ihn doch in den Arm nehmen. Und gleichzeitig in den Hintern treten. Ich bemühe mich schon darum, ihn nicht nur als Arsch zu spielen -so ist er ja geschrieben -, sondern dialektisch. Das ist das größte Vergnügen. Ohne Identifikationspotenzial würde einen die Figur gar nicht interessieren.“
Auch wirkt der Film nicht wie ein Kammerspiel, sondern ist großformatig angelegt. Herbst schreckt nicht vor einem selbstbewussten Vergleich zurück: „So was wie ,Stromberg‘ kann besonders gut im Kino funktionieren, weil im Hintergrund noch so viel passiert. Irgendeiner guckt immer noch scheel um die Ecke und so. Auf die Leinwand schaut man -wie bei einem Pieter-Bruegel-Gemälde, wie bei einem Wimmelbild – noch mal ganz anders drauf und kann viel mehr sehen als auf dem kleinen Fernseher.“ So gern alle Beteiligten „Stromberg“ haben: Jetzt ist Schluss. Wirklich. Endgültig. Eine Fortsetzung kann sich der 47-jährige Herbst nicht vorstellen, für ihn ist die Geschichte „auserzählt“. Obwohl ihm der Abschied nicht leicht fällt. „Das ist wie eine Beziehung. Ich war zehn Jahre mit dem Bernd zusammen, und wenn man sich dann trennt, geht man nie so ganz“, sagt er lächelnd -und natürlich wird er für viele Zuschauer noch lang Stromberg bleiben. Damit kommt er klar -und macht fleißig weiter. In diesem Jahr wird die Komödie „Männerhort“ (mit Detlev Buck und Elyas M’Barek) ins Kino kommen, auf RTL die Verfilmung von „Mara und der Feuerbringer“ (mit Heino Ferch und Jan Josef Liefers) laufen. Dazu eine österreichische Agentenverwechslungskomödie, einige Hörbücher: Herbst hat gut zu tun. Und könnte sich doch auch vorstellen, wieder eine Serie zu drehen. „Der Schornstein muss schon weiter rauchen, und mein Schornstein ist nicht aus Gold. Aber ich arbeite auch einfach gern. Andererseits bin ich sehr versaut – die Bücher, die ich umsetzen durfte, hatten eine Qualität, die man in der deutschen Serienlandschaft so schnell nicht wieder findet.“
Herbsts Buch „Ein Traum von einem Schiff“, in dem er seine Erlebnisse auf dem TV-Dampfer schildert, sorgte 2010 für Furore. Könnte er sich nicht vorstellen, selbst ein Drehbuch zu schreiben? „Nee“, kommt postwendend die Antwort. „Es gibt gute Leute, die das können. Es kribbelt allerdings schon so einiges in mir. Ich könnte mir gut vorstellen, mal Regie zu führen -was auch dem Umstand geschuldet ist, dass ich mit so manchem Regisseur zusammengearbeitet habe, bei dem ich dachte:,Was du machst, mache ich auf der linken Arschbacke.‘ (lacht) Aber vielleicht fange ich erst mal mit einem kleinen Theaterstück an.“