Ein hartnäckiger Träumer wird 70: Happy Birthday, George Lucas!
Keiner glaubte an sein Weltraum-Märchen. Dann schuf George Lucas mit "Star Wars" den damals erfolgreichsten Film aller Zeiten. Jetzt wird der Regisseur 70 Jahre alt.
George Lucas, Regisseur, Teil der jungen „New Hollywood“-Garde der 1970er Jahre und Erschöpfer des „Krieg der Sterne„-Universums, wird 70 Jahre alt.
Wir gratulieren mit einer Rezension seines vierten „Star Wars“-Films „The Phantom Menace“ (1999).
Star Wars: Episode 1- Die Dunkle Bedrohung
von Oliver Hüttmann
Die Kritiken waren vernichtend. Nahezu einig verspöttelte die Presse George Lucas‘ Science-Fiction-Story. Selbst Kollegen, sonst beflissen um Loyalität bedacht, sparten nicht mit ehrenrühriger Schelte: „Wie bei McDonald’s, wo der Geschmack für gutes Essen abhanden gekommen ist. Es beginnt eine Periode des Rückfalls. Alles versinkt in einem riesigen, stinkenden Loch.“ So urteilte William Friedkin, Regisseur von „Der Exorzist“, damals im Jahr des Herrn 1977, nach der Premiere von „Star Wars“.
Und irgendwie hatte er ja recht. Für New Hollywood, der Ära einer amerikanischen nouvelle vague mit autarken, anspruchvollen Autorenfilmern wie Francis Ford Coppola, Robert Altman, Dennis Hopper, Martin Scorsese, Peter Bogdanovich, Mike Nichols und anderen, deren Filme über rebellische Individuen das Kino der Konformität gestürzt hatten, war „Star Wars“ ein Schock. „Grauenhaft“, sagte Lucas‘ Frau Marcia und weinte, als er 20th Century Fox-Produktionschef Alan Ladd, Jr. und engen Freunden eine Rohfassung gezeigt hatte. „Der Vorspann sieht aus wie von der Autobahn. Das hört gar nicht mehr auf. Was für ein ein Kauderwelsch!“, schimpfte Brian De Palma lehrerhaft „Wo spielt der erste Akt? Wer sind die komischen Typen? Du lässt das Publikum alleine – alles verpufft“. Den einstigen Revolutionären wurde aber auch bewusst, dass sie selbst zu Relikten wurden, Zuschauer ihnen immer weniger folgen wollten, ihre Zeit ablief.
Der „Krieg der Sterne“ änderte alles, und zwar so gründlich, dass sich die Kinokunst davon bis heute nicht recht erholt hat. 323 Millionen Dollar spielte die 9,5 Millionen Dollar teure Produktion allein in Amerika ein – und gab damit der mittlerweile üblichen Hatz auf Rekorde einen entscheidenden Schub. Durch „Das Imperium schlägt zurück“ (1980) und „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ (1983) zur Trilogie erweitert, wurden weltweit insgesamt anderthalb Milliarden Dollar umgesetzt. Dazu kamen 4,5 Milliarden durchs Merchandising-Geschäft. Um die unentschlossene Fox zur Finanzierung seines Films zu bewegen, verzichtete Lucas auf sein Honorar, bat allerdings um Lizenzen für Devotionalien und die Rechte möglicher Fortstetzungen. Die Manager hielten das für einen tollen Deal, dauerte doch die Fabrikation von Spielzeugpuppen fast ein Jahr. Dann würde jeder Film verblasst sein. „The Force“, Lucas‘ enigmatischer, religionsstiftender Schwurbel-McGuffin, überdauerte alles. So gab er nach den komplexen Filmen der Siebziger Hollywood die Kinder als Zielgruppe zurück, schuf mit klaren Gesetzmäßigkeiten ein neues Genre, heute als eventmovie geläufig, und wurde darüber zu Gott.
22 Jahre später beginnt die Geschichte noch mal. „The Phantom Menace“, die erste Episode dreier Prequels, die also zeitlich vor den bestehenden „Star Wars“-Folgen spielen, wird einhellig verrissen. Sogar Gläubige, die in originalgetreuen Kostümen angepilgert kamen oder wochenlang vor den Kinos campiert haben, murmeln zerknirscht von Enttäuschung. Sie müssen das Opus ihres Meisters dennoch ebenso sehen wie die Medien darüber berichten, denn die Macht ist groß, und der Marktdruck noch viel größer. In einem beispiellosen Bohei pflastern Magazine mit Specials ganze Seitenstrecken; die ersten Bilder, die letzten Bemerkungen von Schauspielern, die man nie wissen wollte.
Dafür weiß nun wirklich jeder Bescheid, hat Lucas nicht einen Dollar in die Werbung stecken müssen, muss man seinen Film aber fast auch nicht mehr sehen. Eine im Kino entwendete Filmrolle landet als Datei im Internet, als CD-ROM kursierende Raubkopien verderben ob der miesen Qualität die Augen. Nur die der vielen unbedarften Kinder glänzen wieder glücklich. Bevor der Film anlief, waren die aktualisierten Spielzeug-Modelle ausverkauft. Und so muss das Rüstzeug der saturierten, despektierlichen Filmkritik versagen, die hölzerne Darsteller und hohle Dialoge moniert. „Du kannst das schreiben, aber sprechen kann man das nicht“, meinte schon Harrison Ford bei den „Star Wars“-Dreharbeiten zu Lucas, der zu entgegnen pflegte: „Worte sind großartig im Theater, nicht in Kinofilmen.“
Schon immer waren seine Stories simpel, aber nicht dumm, blieben Schauspieler wie Carrie Fisher und Mark Hamill tapfer sterile Staffelten in einer Sternenexplosion, die Lucas mit pubertären Phantasien ins All geknallt hat. Allegorische Abenteuer ohne Anfang, Euphemismen ohne Ende, kindgerecht, rasant, detailiert, heroisch. Ritterlich umgarnte Lucas die Teenager der Gegenkultur, die sein Sternen-Kreuzzug mit den Wunderdingen seiner Firma Industrial Light & Magic von den Ausschweifungen der Siebziger zurück zu bürgerlichen Werten und eine technologische Zukunft führte. Wer damals seine Erleuchtung hatte, den bekehrt nun „Die dunkle Bedrohung“ höchstens, wenn er sich aufs Level der heute jungen Generation begibt.
„Episode 1“ ist angelegt wie ein PC-Spiel, das selbstverständlichste Playmobil in jedem Kinderzimmer, die Lucas anvisiert. Gegliedert in sieben Akte, in denen wie auf Schwierigkeitsebenen spezielle Aufgaben zu lösen sind, mündet der Film klassisch in einer finalen Schlacht, die zeitgleich im freien Feld, in der Stadt und im All koordiniert werden muss. In der Ausgangslage wird der paradiesische Planet Naboo von einer Invasionsarmee der intergalaktischen Handelsföderation belagert, um die Königin Amidala (Natalie Portman) zu einem ausbeuterischen Vertrag zu zwingen. Der Jedi-Ritter Qui-Gon (Liam Neeson) und sein junger Schüler Obi-Wan Kenobi (Ewan McGregor) verhelfen ihr zur Flucht. Es gilt, Verbündete zu finden und den Widerstand zu organisieren, also soviele Punkte wie möglich zu sammeln.
Wenn „Star Wars“ ein Weltraum-Western war mit Raumschiff-Recken und Super-Schurken, die Materialschlachten in „The Empire Strikes Back“ denen im Zweiten Weltkrieg ähnelten und in „The Return Of The Jedi“ der Dschungelkampf in Vietnam nachgestellt wurde, ist „The Phantom Menace“ mit machiavellistischen Politikern, gierigen Eroberern, der entmachteten Regentin und treuen Vasallen ein Mantel- und Degen-Epos. So wie das Imperium den Bolschewismus und Darth Vader den Faschismus symbolisierten, klärt Märchenonkel Lucas nun über die gemeinschaftszersetzende Globalisierung korrupter Konzerne auf.
Im Original ist bei den beiden Führern der Föderation ein japanischer Akzent rauszuhören, deren Truppen nur aus Droiden bestehen, Tamagotchis mit asiatischen Gesichtszügen. Neben diesem Klischee kümmert es den Ober-Jedi natürlich auch nicht, dass er und die Fox ähnlich maßlos auftreten wie die Föderation, indem sie Kinobetreibern die Tontechnik, Saalgröße, Laufzeit diktieren und von den Einnahmen drei Prozent mehr verlangen als üblich ist. Lucas will jene 1,8 Millarden Dollar knacken, die „Titanic“- übrigens auch von Fox – als erfolgreichster Film aller Zeiten weltweit verdient hat. Bei bisher 330 Millionen Dollar in Amerika sind noch alle Optionen offen. Der gewitzte Charme eines Han-Solo oder Alec Guiness‘ weises Charisma wären förderlich. Neeson und McGregor wirken wie angestrengte Vermittler zwischen zerstrittenen Tarifparteien. „Die Fähigkeit zu sprechen verleiht dir noch keine Intelligenz“, sagt Qui-Gon genervt zur Animationsfigur Jar Jar, einamphibienartiger Gungans, der als liebenswerte Pfeife mit Jive-Slang und einem rhythmischen Gang die Rolle des schnatterhaften Schwarzen einnimmt.
Die gestelzten Sätze kommentieren lediglich das Geschehen oder Lucas universelle Botschaft, deren archetypischer Kern kompatibel ist mit allen Mythen, Philosophien und Religionen. So entsprang der Sklavenjunge Anakin Skywalker (Jake Lloyd), der am Protokoll-Roboter C-3PO lötet, einer unbefleckten Empfängnis – und gewinnt wie bei „Ben Hur“ in einem Turbinen-Gespann spektakulär ein für die Mission wichtiges Rennen. „Star Wars“-Kenner wissen längst, dass der vermeintliche Auserwählte als Lukes und Leias künftiger Vater von der dunklen Seite der Macht verfuhrt wird. Noch rührt der Bub ungelenk wie bei „Lassie“.
„Technisch sind wir weit vorne, emotional in der Steinzeit“, bemerkte Lucas maL Das größte Gefühl drückt so das Überraschungsei R2D2 aus, wenn es sich aufgeregt dreht und seine rote Lampe blinkt. Erst wenn die Technik auf Höhe seiner Visionen angelangt sei, wollte Lucas selbst wieder eine „Star Wars“-Folge drehen. Die Entwicklung hat er sich bezahlen lassen, indem ILM zahllose Filme belieferte, die sich nun kümmerlich ausnehmen. Die Feldschlacht zwischen Droiden und Gungans, die an Römer gegen Gallier erinnert, entstand makellos komplett am Computer, das Rennen ist von mitreißender Präzision. Überwältigend sind die vielfältigen Kreaturen und ihre Motorik, eine schillernde Unterwasserstadt oder ein bombastischer Plenarsaal. Zeitweise nimmt man gar einen echten neapolitanischen Palazzo als digitale Kulisse wahr. Als Hologramm wirft aber die Kutte des Anti-Christen Darth Sidious wieder ihren Schatten auf den galaktischen Garten Eden. Denn eigentlich geht es um die Prophezeiung vom Weltuntergang, wenn im Jahr 2000 die Heerscharen des Teufels herabsteigen zum letzten Gefecht mit den Mächten des Lichts.
Gregorianische Chöre wehklagen zum Brummen der Laserschwerter, als Qui-Gon vom gehörnten Darth Maul durchbohrt wird. Dann hiebt Obi-Wan Kenobi den Leib der Ausgeburt entzwei.
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