Die besten Newcomer im Norden: So war das Spot Festival in Aarhus
Zwei Tage, über 120 Bands: Beim Spot Festival im dänischen Aarhus präsentierten sich die wichtigsten Newcomer, die Skandinavien zu bieten hat.
Auf dem SPOT Festival in der dänischen Küstenstadt Aarhus präsentierten sich am ersten Mai-Wochenende 2014 Künstler, die in der skandinavischen Musiklandschaft bereits etabliert sind und einem internationalen Publikum nahegelegt werden sollen. Neben einem Programm bestehend aus Filmvorführungen, Seminaren, Workshops und Konzerten wird schnell deutlich, worum es bei diesem Event geht – nämlich um das Sehen und Gesehen werden.
Die zentralen Locations des Festivals sind alle in angenehmen Fußmarsch-Entfernungen zu erreichen, als Dreh- und Angelpunkt stellt sich die für alle frei zugängliche Royal Venue heraus. Die Örtlichkeiten erweisen sich als so abwechslungsreich wie das Programm und reichen vom klassischen Club über Theatersäle bis hin zum umfunktionierten Güterbahnhof. Über den Veranstaltungsstätten thront das ARoS Aarhus Kunstmuseum der Gegenwartskunst mit einer beeindruckenden Dachterrassen-Installation des dänischen Künstlers Ólafur Elíasson – „Your rainbow panorama“: Ein kreisrunder Pavillon, dessen Glasscheiben in den Farben des Lichtspektrums gefärbt sind. Je nach Außenemperatur und Tageszeit wird der Rundgang über den Dächern der zweitgrößten Stadt Dänemarks zu einem beeindruckenden Farbspiel mit wechselwarmen Gefühlen. Begleitet werden die Besucher bei einer von zwei exklusiven Veranstaltungen dort von der Musik von The Portuguese Man Of War, einem Electro-Projekt von Anders Stockholm, Mitglied der aus Aarhus stammenden Gruppe Under Byen. Diese Darbietung avanciert abseits des festen Programms bereits am ersten Tag zu einem Highlight des Showcase-Festivals.
Am ersten Tag geht es zuerst zur Royal Stage, auf der We Invented Paris ihren von den Schweizer Alpen inspirierten Indie-Pop vorstellen. Nach einem überzeugenden Opener gibt es leider technische Probleme mit der Gitarre, was den Rest der Band jedoch nicht groß zu kümmern scheint, denn mit sattem Bass, Synthesizerklängen und der sanften, aber überzeugenden Stimme von Sänger Flavian Graber geht es offensichtlich auch so. Am Ende des halbstündigen Sets spielt das Schweizer Kunstkollektiv einen Akustik-Song, mischt sich dafür unter das Publikum und hat damit allerspätestens jetzt gepunktet.
Im Anschluss spielt im kleinen Saal des Musikhuset die schwedische Singer-Songwriterin Sumie. Sie erzählt, dass dies ihr erster Auftritt ohne eigene Gitarre ist, bedankt sich ausgiebig für das Ersatzinstrument und entschuldigt sich schon fast für diese Umstände. Die Schwester von Little-Dragon-Sängerin Yukimi Nagano verbreitet mit ihrer Musik eine Atmosphäre der Ruhe und lässt die Zuschauer in die Welt ihrer vertonten Lyrik versinken.
In der hoteleigenen Veranstaltungshalle des Radisson Hotels spielt nun Shiny Darkly. Das dänische Trio hat einen Mix aus Shoegaze und Post-Punk im Gepäck und vereint gekonnt psychedelische 60er-Klänge und Dark-Wave-Elemente. Seit der Gründung 2012 war die Gruppe mit zwei EPs und einem kürzlich erschienenen Album sehr produktiv und konnte bereits Erfahrung auf Festivalbühnen von Roskilde und Eurosonic sammeln. Die selbst genannten Einflüße, in diesem Fall Joy Division und Talking Heads, treffen hier zu.
Auf dem Weg in das Foyer des Musikhuset ist noch etwas Zeit, um bei der Zeltbühne vorbeizuschauen. Franklin Zoo sind gerade in der Mitte ihres Sets. Laut Programmheft erwartet die Besucher hier eine Gruppe, die mühelos ein essenzieller Teil der Grunge-Bewegung in Seattle hätte sein können. Der Konjunktiv ist beabsichtigt, da es gesanglich eher nach einem unehelichen Kind von Nickelback und Creed klingt. Eingespielt und bühnenerfahren sind diese Jungs aber auf jeden Fall. Den Besuchern gefällt es – Dosenbier und lange Haare (f)liegen in der Luft.
Im Foyer des Musikhuset angekommen und auf der Bühne ist Tusq. Die teils aus Berlin, teils aus Hamburg stammende Pop-Rock-Formation bildet mit Tellavision und Fuck Art, Let’s Dance! das deutsche Trio an diesem Wochenende. Ein gelungener und starker Auftritt der Gruppe um den charismatischen Sänger Uli Breitbach vor einem leider größtenteils sitzenden Publikum.
Nach Tusq ist es wieder Zeit, die Location zu wechseln. In der Congresshalle kommen Reptile Youth auf die Bühne. Ihr Ruf als eine der derzeit besten Live-Bands aus dem nordeuropäischen Raum eilt den fünf Jungs aus Kopenhagen bereits voraus. Die Halle ist sehr gut gefüllt. Vorfreude und Spannung kann man förmlich riechen und als der lockige Kopf von Sänger Mads Damsgaard Kristiansen als schwach erkennbarer Umriss durch den Nebelmaschinendunst sichtbar wird, hört man Gekreische und Applaus. Beim ersten Kick der Bass-Drum wird ein Stroboskopgewitter entfacht und man merkt sofort, dass die nächsten 45 Minuten Spaß machen werden. Die elektronischen Klänge, gepaart mit schrammeligen Punk-Rock-Gitarren und einem treibenden Drummer überzeugen, hoffentlich auch bald in Clubs hierzulande.
Zurück im Foyer veranstalten Fuck Art, Let’s Dance! gerade eine Indie-Pop-Danceparty mit ihrem jungen Publikum. Der Bandname der vier Jungs aus Hamburg hat nicht zu viel versprochen, mit Frontmann im Publikum wird ausgiebig getanzt und nach einer halben Stunde ist die Sache dann auch erledigt, einer energiegeladenen und enthusiastischen halbe Stunde natürlich. Es folgt noch eine der bis dahin sehr seltenen Zugaben und dann ist auch wirklich Schluss.
Am zweiten Tag geht es direkt in das Foyer des Musikhuset. Die Dänen von Quick Quick Obey spielen mit zuckersüßem Modern Pop auf. Trotz ihres junges Alters überzeugen sie mit Reife in Melodie und Arrangement.
Im alten Güterbahnhof spielen im Anschluss Nelson Can. Die 2011 gegründete all-female Band verzichtet auf Gitarrenklänge und bietet somit mehr Spielraum für die Stimme von Leadsängerin Selina Gin. Untermalt wird sie von großartigem Backgroundgesang der Bassistin Signe SigneSigne und simplen, aber energetischen Drumbeats von Schlagzeugerin Maria Juntunen. Mit ihrem Sound erinnern sie an The White Stripes und Gossip und schlagen beim Publikum damit voll auf die 10. Trotz der Nachmittagszeit gibt es tobenden Applaus. Beim nächsten Mal bitte länger als 30 Minuten.
Die Stoner-Metal-Band Pet The Preacher spielt auf der Außenbühne und präsentiert dabei vieles von ihrer kürzlich erschienenen Platte „The Cave & The Preacher“. Wie im Video zur dazugehörigen Single kommen die drei Dänen mit Erde im Gesicht auf die Bretter und heizen dem etwas schüchternen und in sicherer Entfernung sitzenden Publikum gehörig ein. Mit dem österreichischen Label Napalm Records im Rücken dürfen wir uns auf baldige Auftritte in Deutschland freuen.
Nun geht es wieder in den Güterbahnhof, um die erste Multimedia-Darbietung des heutigen Tages zu erleben. League Of Extraordinary Gentlemen, ein Crossover-Projekt des in Kopenhagen lebenden Elektro-Musikers Simon Muschinsky (Mitglied der Band When Saints Go Machine) und des aus Los Angeles stammenden Rappers NOTE, zeigen in einem Dokumentarfilm die Entstehung ihrer Kollaboration. Angefangen mit Online-Aufnahmen im Jahr 2007 mischten sie Rap mit Elektro fünf Jahre lang via Internet. Zum ersten persönlichen Treffen der beiden Musiker kam es schließlich 2012. Im direkten Anschluß an den Film tritt das Duo auf und überzeugt mit knackigen Beats und kompromisslosen Lyrics.
Go Go Berlin stehen als nächstes auf dem Zettel. Diese Band sollte komplett in Großbuchstaben geschrieben werden, mit Rock wie wir ihn aus den 70ern und 80ern kennen: Viel Gitarre, roher Gesang, noch mehr Gitarre und eine solide Unterstützung durch Bass, Orgel und Drums. Dazu eine Prise Rockstar-Attitüde, lange, zottelige Haare und hautenge Klamotten. Ganz großes Live-Spektakel und eines der Highlights des gesamten Festivals.
Ein weiterer großer Programmpunkt des Tages hat lange auf sich warten lassen: Kellermensch. Die aus Esbjerg kommende Band besticht durch einen schweren Metalsound gemischt mit bewegenden progressiven Rocktönen und Streichinstrumenten. Im großen Saal des Musikhuset hält es niemanden lange auf den Sitzen. Nach dem zweiten Song steht das gesamte Publikum und ist Teil der exzentrischen Show, bei der Frontmann Sebastian Wolff über die Theatersitze klettert. Art-Rock und ein passendes Setting, dazu eine Band, der man ansieht dass sie hungrig sind auf mehr.
Wer nordische Klänge, egal welchen Genres mag, der sollte sich das nächste Spot Festival nicht entgehen lassen. Die über 120 Bands sind die Reise auf jeden Fall wert.