Vampire oder Formschinken: Was ist der größere Horror?
Die sechste Staffel von "True Blood" beginnt vielversprechend. So furchterregend wie "Rach deckt auf" ist sie allerdings nicht.
Serien sind doch genau wie das echte Leben! Manchmal, wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her. Oder zumindest eine Episode, nach der man weiß: Es hat sich gelohnt, dran zu bleiben. Nachdem die fünfte Staffel von True Blood weitestgehend albern und uninspiriert wirkte (vom fehlenden Sex und dem Hang zum sinnlosen Splatter mal ganz abgesehen), sind die ersten beiden Folgen der sechsten Season, die man bei iTunes wieder direkt nach der Ausstrahlung in den USA sehen kann, eine große Erleichterung: Richtige Spannung statt Stumpfsinn, interessante Dialoge und sogar die klitzekleine Hoffnung, endlich zu kapieren, was es mit dem Tod von Sookie Stackhouses Eltern und dem Feen-Kram auf sich hat. So darf es weitergehen!
Während sich in Bon Temps weiterhin Werwölfe und Elfen, Vampire und Gestaltenwandler tummeln, spielt sich der wahre Horror woanders ab: Rach deckt auf heißt die neue Aufklärungssendung, in der unser liebster Küchenphilosoph den Geheimnissen der deutschen Lebensmittelindustrie und Gastronomie nachspürt und schlimme Essgewohnheiten inspiziert. In der vergangenen Woche verdonnerte er eine Familie zum Zuckerentzug – eine schlimmere Tragödie hat man auf RTL selten gesehen. An diesem Montag suchte er nun in Indonesien nach Garnelen-Fabriken und bei Schweinezüchtern nach einem Gewissen, klebte mit einem Metzger Formschinken zusammen und hübschte mit einer sogenannten Food-Stylistin Fertiggerichte auf. Die Ergebnisse waren nicht überraschend: Garnelenaufzucht stinkt, Schweine sind arm dran, Schinken ist oft zweifelhaft, Fertiggerichte sehen nicht aus wie auf der Verpackung.
Aber wie schön Christian Rach diese ollen Erkenntnisse präsentiert! Wenn sein Zeigefinger durch die Luft fliegt und er die Verantwortlichen in die Pflicht nimmt, fühlt man sich so angenehm an den Vertrauenslehrer erinnert, der damals im Gymnasium immer an die Vernunft appellierte: Kinder, Ihr wisst doch eigentlich, was richtig ist und was falsch! Haltet euch halt einfach daran! Rach will jetzt nicht mehr Restaurants retten, sondern den gesunden Menschenverstand. Doch wenn sein einziger Tipp, wie man an ordentlichen Schinken kommt, der ist, sich „einen guten Metzger in der Nachbarschaft“ zu suchen, dann reicht das nicht. Auch der Sieg über ein Büsumer Feinkostunternehmen, das seine Krabben jetzt eindeutiger beschriftet, erinnert eher an Sisyphus. Für das Finale von „Rach deckt auf“ braucht es einen richtigen Showdown! Mindestens eine Demonstration vorm „Bundesministerium für Verbraucherschutz“, das nie die Verbraucher schützt, sondern im Zweifelsfall immer die Lebensmittellobby.
Christian Rach gegen Ilse Aigner – das wird vielleicht nicht so aufregend wie der Krieg zwischen Menschen und Vampiren, aber es fällt einem viel leichter, sich für eine Partei zu entscheiden.