Bushido – ’nicht mehr Herr seines Lebens‘?
Arye Sharuz Shalicar, 35, wuchs als Sohn jüdisch-iranischer Einwanderer in Berlin auf. In seiner bei DTV erschienenen Autobiografie "Ein nasser Hund ist besser als ein trockener Jude" beschreibt er den grassierenden Antisemitismus unter arabischen Jugendlichen, dem er jahrelang ausgesetzt war. 2001 wanderte er nach Israel aus, studierte in Jerusalem und ist heute Sprecher der israelischen Armee. Ein Interview aus der "Welt am Sonntag"
Aus „Welt am Sonntag“, 21.4. 2013.
Herr Shalicar, Sie haben Ihre Jugend in der Hip-Hop und Graffiti-Szene in Berlin-Wedding verbracht. Unter dem Pseudonym „Boss Aro“ waren Sie in der Graffiti-Szene eine Legende – und für die Polizei ein rotes Tuch. Haben Sie Bushido damals kennengelernt?
Wir kannten uns vom Hören und Sehen, hingen aber nicht zusammen rum. Aber wir hatten gemeinsame Freunde. Soweit ich weiß, war Bushido nicht weiter involviert in der Gang-Szene Berlins in den 90er-Jahren, während meiner und seiner Jugendjahre.
Bushido wird dem Berliner Abou Chaker-Clan zugeordnet, Mitglieder einer libanesisch-palästinensischen Großfamilie aus Neukölln. Sagt Ihnen der Name noch was?
Natürlich. An denen kommt man in einem gewissen Milieu in Berlin nicht vorbei. Ich habe mit einzelnen Mitgliedern dieser Familie selbst nicht die besten Erfahrungen. Die sind in der Lage, aus dem Stand ein paar Hundert Männer zu mobilisieren. In Neukölln dominieren sie ganze Straßenzüge, darüber hinaus viele Läden, Imbisse, Geschäfte.
In Ihrer Autobiografie beschreiben Sie Ihr Leben als Jude im Wedding, zwischen Graffiti-Szene, Gangs und Hip-Hop. Sie mussten mehr als einmal um Ihr Leben laufen.
Ja, ich hatte Schutz vor bestimmten arabischen Clans insbesondere wegen meiner Freundschaft zu einer der Hauptfiguren des Weddinger kurdisch-libanesischen Clans, den ich in meinem Buch Husseyn nenne. Er war nicht der Chef, hatte aber großen Einfluss, auch auf Ältere.
Laut „Stern“ hat Bushido einem hochrangigen Mitglied des Clans eine umfassende Generalvollmacht erteilt. Wie interpretieren Sie das?
Damit hat er sich mit Haut und Haaren an diese Großfamilie verkauft. Wenn er singt, Platten macht, Geld verdient, dann für die. Das ist schon krass: Bushido ist nicht mehr Herr seines Lebens. Darüber entscheidet jetzt derjenige, auf den die Generalvollmacht ausgestellt ist.
Was steckt dahinter? Freundschaft?
Ich bezweifle, ob das wahre Freundschaft ist. Im Grunde handelt es sich, bei allen Umarmungen und Beteuerungen, um ein kühles Geschäft. Der Deal funktioniert so lange, wie Bushido eine Marke ist und Geld reinspült. Für den Clan ist er im Moment noch ein wertvolles Asset. Bushido hatte Zugang zur Prominenz, zuletzt sogar zur Politik.
Wozu braucht Bushido diese Leute?
Auch Bushido hat Feinde. Und dass der Clan ihm damals geholfen hat, aus einem alten Vertrag bei einem Plattenlabel herauszukommen, betont Bushido ja selbst immer wieder. Seinem Image als Gangsta-Rapper hat die Nähe zum Mob bisher auch nicht geschadet.
In einem neuen YouTube-Video spricht Bushido über seinen Glauben und den Islam. War er als Jugendlicher auch schon religiös?
Um das zu beurteilen, kannte ich ihn nicht gut genug. Aber er wäre nicht der Erste, der plötzlich die Religion für sich entdeckt, teilweise auch als „Flucht“ vor dem harten Alltag. Ich hoffe nur, dass er die positiven Punkte der Religion aufnimmt und nicht plötzlich radikalislamische Hasstiraden von sich gibt. Das hat es auch schon gegeben, zum Beispiel beim inzwischen abgetauchten Berliner Rapper DesoDogg oder vielen Weddingern, die ich während meiner Jugendjahre kennengelernt habe.
Bereuen Sie eigentlich, Berlin und der Bundesrepublik den Rücken gekehrt zu haben?Überhaupt nicht. Inzwischen ist auch mein kleiner Bruder hier. Darüber bin ich sehr froh. Mein Bruder war wie ich oft antisemitischen Angegriffen ausgesetzt. Da blieb es nicht bei verbalen Anfeindungen. Ich bin froh, dass er dem Wedding und dem Hass nun auch den Rücken gekehrt hat, bevor es womöglich zu einer Katastrophe gekommen wäre.