Depeche Mode: Delta Machine live aus Wien in voller Länge
In voller Länge: der Auftritt von Depeche Mode beim Albumlaunch von "Delta Machine" in Wien.
Als in der neobarocken Veranstaltungshalle des Wiener Museums Quartier (MQ) die Lichter ausgehen, ist alles vergessen. Auf Dauer kann man Depeche Mode dann doch nicht böse sein. Das eher familiäre Umfeld ihres langjährigen Stammlabels Mute hatte sich zwar aufgelöst und ihr amerikanisches Aktenkoffer-Management setzt heuer auf volle Vermarktung. Ihr dreizehntes Album „Delta Machine“ muss zur Cashmaschine werden. Maximales Abfischen im Mainstream. Nach einem Kurzgig beim SXSW-Festival im texanischen Austin und einem Auftritt bei Talkmaster David Letterman der Sprung nach Europa, wo sie im Vorfeld der großen Welttour durch einen verschärften Sponsorenpool nebst „Echo“ und „Wetten, dass..?“ geprügelt werden. Aus Vermarktungsperspektive sind Depeche Mode 2013 auch nichts mehr anderes als seinerzeit die Rolling Stones mit eigener VW-Golf-Edition.
Doch als Dave Gahan kurz nach Neun mit Borussia-Dortmund-Weste (vorne schwarz, hinten gelb) wie ein Flamingo auf die Bühne stakst, ist nicht nur der vor uns sitzende „Depeche Mode Club Chemnitz“ aus dem Häuschen. Der so genannte „Album Launch Event“ in Wien beginnt mit dem neuen Song „Angel“, der mit seinen schleifenden Beats von einem funkelnden Mobiltelefon-Feuerwerk im Publikum begleitet wird. Der übliche Smartphone-Bildersturm zur Selbstvergewisserung. Das mächtige Schlagzeug ihres österreichischen Tour-Drummers Christian Eigner ist zentral platziert. Als gelte es, die alten elektronischen Zeiten auch optisch endgültig zu beerdigen. Eigner drischt auf seine Schießbude ein wie das Schlagzeugtier von der „ Muppets Show“ und verortet Gahan, Gore und Synthie-Mann Fletcher mit seiner bollernden Rhythmusarbeit ins Reich der gestandenen Rocker. Im scharfen Kontrast zu ihren frühen elektronischen Liveshows, die stets etwas blutleer und statisch wirkten, lassen die späten Depeche Mode keinen Zweifel: Der Herbst ihrer Karriere gehört dem ROCK! Auf diese Weise lässt sich in dem auf 10 Songs beschränkten Set auch das düster dräuende „Barrel of a Gun“ vom „ Ultra“-Album unterbringen. Mit Gothic-mäßiger Dunkelmann-, Höhlen- und Totenkopf-Optik im Begleitfilm. Man bekommt eine recht gute Vorstellung von den kommenden Arena- und Stadion-Konzerten der Band, in der die neuen Songs des Electro-Blues-lastigen „Delta Machine“-Albums das wertige Füllmaterial der großen, umkreischten Hits abgeben werden.
Exemplarisch passiert das etwa beim semi-akustischen Übergang vom (bislang nur selten aufgeführten) „Only When I Loose Myself“ zu „Personal Jesus“. Das Intro hätte selbst dem guten Johnny Cash – der Herrgott hab` ihn selig – alle Ehre gemacht. Fünf neue Songs, fünf Hits beim Wien-Konzert: Nach dieser Formel treten Depeche Mode endgültig in den Herbst ihrer Karriere ein. Glamrock For The Masses. Ihre Show erinnert nur noch vage daran, wo sie einmal hergekommen sind. Von der Synthieavantgarde zu Pophit zum gut abgehangenen Posertum a la Mick Jagger. „Enjoy The Silence“ wirkt dann auch wie eine gekonnt aufgespielte Version für eine Fanschar, in der ewige New Romantics friedlich schwelgend ihren Film fahren können; neben Geschäftsführern in Antiklederjacken mit Harley-Davidson-Aufnähern. Depeche Mode sind nach 33 Jahren zur SPD des Pop geworden.