Selig
Und Endlich Unendlich
Noch eine Wiedervereinigung, die diese Welt nicht braucht? In den Neunzigern mögen Selig eine erfolgreiche Band gewesen sein, doch hat man sie vermisst in den vergangenen zehn Jahren? Eigentlich war es ganz gemütlich ohne das Geplärre von „Sie hat geschrien“ und die Penetranz von „Ist es wichtig“.
Der unbedingte Willen zur größtmöglichen Wucht nervte am Ende gewaltig, auch hatten die Hamburger schon beim dritten Album nicht mehr viel zu sagen. Sänger Jan Plewka machte nach der Trennung alleine weiter, seine Stücke waren fantasievoll verträumt und viel weniger aufdringlich- vielleicht hörte deshalb kaum einer zu.
Nun also wieder Selig, mit Christian Neander an der Gitarre, der sich- wie der Rest der Band auch- allerdings heutzutage etwas mehr zurückhält. Die bleierne Schwere, die sie einst vielleicht für Blues hielten, befällt sie im vorgerückten Alter ulkigerweise viel seltener. Die meisten Songs sparen sich auch plakative Effekte, nur bei „Wir werden uns wiedersehen“ wird noch einmal richtig reingehauen, und die Single „Schau Schau“ setzt vor allem auf Dynamik. Trotzdem hat man jetzt zum ersten Mal das Gefühl: Selig müssen nicht, sie wollen.
Dem immer ein bisschen verschlafen wirkenden Plewka kommt die neue Leichtigkeit entgegen, er singt sich mit fast traumwandlerischer Sicherheit durch die Geschichten, die sich alle irgendwie um Sehnsucht und Flucht aus dem trostlosen Alltag drehen- und natürlich immer um die Liebe (die Titel heißen nicht umsonst „Ich fall in deine Arme“ oder „Du siehst gut aus“).
Die (Selbst-)Betrugs-Hymne „Lang lebe die Nacht“ klaut zwar den Beginn bei R.E.M., dafür folgt mit „Die alte Zeit zurück“ ein wirklich originelles, aufbrausendes Stück über die Gefahr der Verspießerung. Wem die zuckrige Ballade „Der schönste aller Wege“ doch zu lahm ist, der bekommt mit „Ich dachte schon“ das negative Pendant dazu: eine niederschmetternde Bestandsaufnahme über das Entlieben.
Das können Selig: vor und zurück, hin und her schwanken und dabei nie die das Ziel aus den Augen verlieren- als hätten sie gerade erst erkannt, was ihr Bandname tatsächlich bedeutet. (Universal)