Nachdem Revolutionen prophezeit und – zumindest im erwarteten Umfang – ausgeblieben sind, bleibt immer noch: eine überaus begabte, originelle und interessante Band. Die sich in der Wahl ihrer musikalische Mittel nicht von ideologischen, politischen oder sonstigen Grenzen einschränken lässt und weit mehr zu bieten hat als nur jenen viel beschriebenen Afrobeat des Debüts.
Eine Band zudem, die sich behutsam weiter entwickelt hat auf diesem zweiten Album. Ein Song wie „Holliday“ hätte mit seinem jubilierenden Up-Tempo-Part und den auf sehr charmante Weise nach Drei-Euro-Transistorverstärker klingenden Gitarren auch aufs Debüt gepasst, und „White Sky“ kennt man von den Konzerten. Aber die Ränder dieser Musik sind jetzt noch feiner verarbeitet, es passiert noch mehr.

Jenseits aller Genre-Zuordnungen, und hier könnte von Baile-Funk über Dancehall und Salsa bis Ska so einiges beschrieben werden, fällt vor allem auf, von welch optimistischem Geist diese Musik beseelt ist. Die Musiker haben zwischen den Aufnahmen in New York und Mexico City, die sie übrigens mit dem frischen Wind einer unmittelbar zuvor abgeschlossenen Welt-Tournee angingen, viel Zeit in Kalifornien verbracht. „Contra“ soll sich nun so anfühlen wie eine Fahrt auf dem Highway Number One, einer der schönsten Küstenstraßen der Welt.

Aber Vampire Weekend sind natürlich zu intelligent, um stumpf in ungebrochenen Frohsinn auszubrechen. Und so ist es nicht selten die befreiende Euphorie vor dem Sprung von der Brücke, der diese Musik ihre Spannung verdankt. „Horchata“ etwa beginnt als Ölkanister-Jam auf dem Dorfplatz, mündet jedoch schließlich in einen elegischeren Teil, in dem selbst das Glockenspiel traurig klingt.

Dazu besingt Ezra Koenig immer wieder auch die unerträglich bittersüße Leichtigkeit des Seins. All die Ängste, Erwartungen und Unsicherheiten an der Schwelle zum richtigen Erwachsenenleben – mithin also Geschichten aus dem Lebensalltag jener ehemaligen Studenten kurz vorm Eintritt ins Berufsleben, die die Mitglieder von Vampire Weekend heute wären, wenn sie nicht unterwegs Pop-Stars geworden wären.

Auch musikalisch bauen Vampire Weekend Brüche ein, nehmen Abzweigungen, lassen kein Intermezzo aus – und behalten auf kunstvolle Art doch stets den Song im Auge. So entsteht eine rhythmische, von Schlaginstrumenten jeglicher Couleur dominierte Pop-Musik, deren variable, flüssige Beats immer wieder mit stupenden Melodiebögen übertüncht werden.

„Taxi Cab“ ist dann eine verträumte Klaviersonate mit einem elegisch-wehmütigen und sehr romantischen Spinnet-Part. Man denkt an die sich unablässig über die Straßen ergießenden Mahlströme jener von Menschen jeglicher Herkunft gesteuerten yellow cabs, die von oben betrachtet immer ein bisschen wirken wie von unsichtbarer Hand choreographiert. Ein multikulturelles Ballett in der internationalsten Stadt der Welt.

Ein ebenso berückender wie seltener Moment. Denn Vampire Weekend sind auch: eine Band, über die man absolut nichts Schlechtes sagen kann – außer dass sie einem nicht immer so ans Herz gehen wie hier. (XL/Beggars)

Torsten Gross