Paul Banks im Interview: „Jeder weiß, dass ich nicht immer dunkel gestimmt bin.“
Soeben hat Paul Banks sein "richtiges" Solodebüt "Banks" veröffentlicht - Ende Januar kommt er auf Tour. Wir sprachen mit dem gar nicht so düsteren Sänger von Interpol und hörten erstaunliche Sätze wie diese: "Ich surfe und mache Musik - das erfüllt mich vollends."
Am 19. Oktober erschien „Banks“ von Paul Banks – seines Zeichens Sänger bei Interpol. Es ist sein erstes „richtiges“ Soloalbum – beziehungsweise das erste, das er unter seinem richtigen Namen veröffentlichte und nicht unter dem bereits etablierten Pseudonym Julian Plenti. Warum das so ist, erklärte er uns im Interview – und zeigte dabei, dass er gar nicht der düstere Grummler ist, den viele in ihm vermuten.
Bevor es mit dem Interview losgeht, hier noch das Video zur aktuellen Single…
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Beim ersten Hören war ich sehr überrascht, wie „freundlich“ die Gitarre im ersten Song „The Base“ klingt. Und dann kommt auch noch so eine zuckersüße Zeile wie „now and then I feel those beauties“. Das führt mich gleich zu der Frage: Machst du nun Musik, die mit Interpol nicht möglich wäre?
Ehrlich gesagt glaube ich, dass ich für mein erstes Album (unter dem Namen Julien Planti veröffentlicht) „freundlichere“ Songs geschrieben habe. „Unwind“ zum Beispiel. Bei Interpol beginnt die Musik immer mit Daniels [Kessler, Gitarrist] Songs. Und seine Gitarrenparts beeinflussen sicherlich die Tonlage meiner Vocals. Ich glaube, seine Melodien berühren ganz besonders die melancholische und dramatischere Seite meiner Persönlichkeit. Also stimmt das wohl so: Die Musik, die ich solo mache, wäre mit Interpol nicht möglich.
Man nimmt so einen Alben-Einstieg zwangsläufig als Statement wahr. So nach dem Motto: „Schaut her, ich kann auch anders! Ich bin gar nicht immer so Interpol-düster!“ War es so gedacht?
Nicht wirklich. Jeder, der mein erstes Album gehört hat, weiß dass ich nicht immer dunkel gestimmt bin. Ich glaube sogar, dass die Leute, die Interpol wirklich kennen, dass schon längst wissen. Humor hat immer schon eine Rolle gespielt bei mir – selbst im Interpol-Kontext. Als Gelegenheitshörer spürt man diese Nuancen vielleicht nicht, aber die richtigen Fans wissen, dass wir keine eindimensionale Angelegenheit sind und nicht nur dunkle, traurige Musik spielen. Ich meine: Wir haben einen Song, der „No I In Threesome“ heißt – wenn man das nicht als Witz versteht, dann weiß ich’s auch nicht! Na gut, das ist von einer sehr amerikanischen Redensart abgeleitet: „There’s no ‚I‘ in ‚Team'“. Vielleicht versteht’s dann doch nicht jeder…
Ist „Banks“ denn als zusammenhängendes Album geschrieben worden, oder ist es eine Sammlung von Songs aus den letzten Jahren, die zu Interpol nicht wirklich passten?
Sagen wir so: Es ist eine Sammlung von Songs, die ich seit meinem letzten Album geschrieben habe. Einige davon lagen sicher schon ein paar Jahre in der Luft, aber sie wurden alle in den letzten Monaten entweder geschrieben oder vervollständigt. Ich habe schon immer Musik geschrieben, aber ich habe sie bis „Julian Plenti Is Skyscraper“ nie veröffentlicht. Es fühlt sich gut an, jetzt einen Weg gefunden zu haben, diese Songs zu teilen. Und ich werde das auch weiterhin tun.
Dein erstes „Soloalbum“ erschien unter dem Namen Julian Plenti. Warum jetzt als Paul Banks? Was hat sich geändert?
Damals, als ich noch Student war, bevor Interpol gesignt wurde, habe ich Musik geschrieben und Konzerte gespielt unter dem Namen Julian Plenti. Ich habe mein erstes Soloalbum gemacht, um mein Frühwerk zu veröffentlichen. Es war wie eine Retrospektive einiger meiner frühesten Songs. Ich habe sie unter dem Namen Julian Plenti geschrieben, also habe ich sie auch unter diesem Namen veröffentlicht. Auf „Banks“ sind nur neuere Songs, also habe ich meinen richtigen Namen verwendet. Wenn ich noch mal etwas aus meiner College-Zeit rausbringe, werde ich es wieder als Julian Plenti tun.
In einem frühen Interview zu „Banks“ hast du die Arbeit daran als therapeutisch bezeichnet. Also, mal salopp gefragt: Brauchst du eine Therapie? Und wenn ja: Wie passt das zum positiven Klang der Platte?
Ich brauche definitiv eine Therapie. Und ich glaube, ich habe das so gesagt, weil schon viel Wut in dieser Platte ist. „Paid For That“ ist eine recht wütende Nummer – und hat sich verdammt gut angefühlt! „Over My Shoulder“ ist ebenso ein Verarbeiten von Schuld.
Ich freue mich sehr darauf, das Cover in Vinylgröße im Schrank stehen zu haben. Es ist ein sehr starkes Bild. Von wem ist es? Und warum hast du es ausgewählt?
Es ist ein Foto von mir. Und ich wusste schon in dem Moment, in dem ich es geschossen habe, dass es mein Albumcover werden wird. Also: Besten Dank für das Kompliment! Es freut mich wirklich sehr, wenn die Leute mein Artwork mögen.
Ein Freund von mir – der allerdings nicht gerade ein Fan deiner Musik ist – meinte, als ich ihm was vorspielt: „Das ist doch total Interpol!“ Er hat Unrecht, aber irgendwie verstehe ich auch, wie er darauf kommt, weil deine Stimme ja nunmal ein recht einzigartiges Trademark dieser Band ist. Ist es also ein Fluch oder ein Segen, wenn man so stark mit einer Band wie Interpol assoziiert wird, die einen sehr speziellen Sound und Style hat?
Es ist ein Segen. Ich bin sehr stolz auf Interpol und auf das, was wir als Band erreicht haben. Und ich kann es auch verstehen, wenn jemand Gemeinsamkeiten zwischen meinem und dem Interpol-Sound sieht. Aber je mehr Fan man ist, desto deutlicher werden die Unterschiede sichtbar. Wenn man die Musik nur oberflächlich hört, ist es klar, dass man meine Stimme gleich mit Interpol verbindet.
Es ist also kein Vergleich gegen den du ankämpfen musst?
Ha! Nein. Überhaupt nicht. Ich kämpfe in meiner Musik gegen gar nichts. Ich mache nur Musik, die mir Spaß macht. Beim Schreiben, Aufnehmen, Live-Spielen. Das ist das einzige Kritierium, das ich habe. Und, dass ich mich nicht wiederholen will. Das ist die einzige Sorge, die mich beim Songschreiben umtreibt. „Habe ich diese Zeile schon mal verwendet? Diese Melodie?“ Aber heutzutage ist mir auch das fast egal. Ich habe herausgefunden, dass ich mich immer dann wiederhole, wenn ich mich in ein Thema festgebissen habe. Etwas gefunden habe, das raus will. Und wenn ich mich wiederhole, dann liegt das ganz einfach daran, dass solche Dinge nie auf einmal an die Oberfläche drängen. Ich bin jetzt 34 Jahre alt. Ich habe keine inneren Kämpfe mehr zu kämpfen. Ich denke auch nicht mehr darüber nach, was die Presse über mich sagt. Ich habe schon vor einigen Jahren eingesehen, dass mich ein Großteil der Medienlandschaft nicht wirklich versteht – und seit ich das akzeptiert habe, ist es viel einfacher für mich. Früher wollte ich den Leuten oft ins Gesicht schreien: „Kapiert’s endlich!“. Inzwischen habe ich eingesehen, dass das nichts bringt. Ich lese auch keine Kritiken und Reviews. Ich surfe und mache Musik – das erfüllt mich vollends, da muss man nicht mehr kämpfen.
OK, wir müssen schon zur letzten Frage kommen: Ich mochte es, wie du in „Paid For That“ Folk Implosion zitierst und sie in den Lyrics auch beim Namen nennst. Im Song klingt es so, als hätten sie einen recht großen Einfluss auf dich gehabt in deiner Jugend. Ist dem so?
Ich habe die Band, wie viele, über den „Kids“-Soundtrack entdeckt. „Jenny’s Theme“ hat mich tief berührt. Und von da an habe ich mich sehr intensiv mit Lou Barlows Musik auseinandergesetzt. Vor allem sein Home Recordings – diese creepy klingenden psychedelischen Momente haben mich ziemlich angefixt. Diese Songs haben eine wundervolle Atmosphäre, die ich immer erreichen wollte. Vielleicht sollte ich das endlich mal probieren – ich mag es nämlich sehr, meine alten Demos zu hören.
Paul Banks live – präsentiert von Rolling Stone:
28.01 Frankfurt- Mousonturm
29.01 Köln -Gloria
06.02 Berlin- Kesselhaus
09.02 Hamburg- Gruenspan