Greenville Festival: Die Empfehlungen des Hauses
Von Freitag bis Sonntag findet in Paaren/Glien bei Berlin die Premiere des Greenville Festivals statt - und setzt dabei auf ein Line-up, das von Scooter über die Flaming Lips bis zu den Roots musikalisch weite Bögen schlägt. Hier unsere Empfehlungen zum Wochenende...
Wir geben es ja zu: Die ersten Pressemitteilungen und Plakatierungen zum neuen Greenville Festival in Paaren/Glien bei Berlin haben uns gehörig verwirrt. Die Veranstalter machten nämlich schon von Anfang an klar, dass sie für fast jeden eine Band im Line-up parat haben würden. Das ergab dann am Ende eine Mischung, die – nun ja – etwas speziell anmutet. Man werfe nur einen Blick auf das Programm der Main Stage am Samstag: Da spielen erst Kellermensch, dann Kettcar, dann The Roots – und dann, äh, Scooter. Und wer es nicht so mit denen hat, der kann sich derweil den Metalcore von Callejon anschauen.
Manch einer mag dabei nun „Kraut und Rüben!“ schreiben, andererseits muss man sich eingestehen, dass das Line-up viele geschmackvolle und / oder unterhaltsame Künstler und Künstlerinnen im Programm hat. Deshalb hier – wie bei fast allen großen Festivals – die Empfehlungen der Online-Redaktion. Den vollständigen Timetable kann man sich hier anschauen. Ach ja, Karten an der Tageskasse gibt es noch. Wer also spontan Lust bekommt auf Konzerte im Grünen – nur zu!
Kyla La Grange (Sonntag, 29.07.2012, 14:30-15:15 Uhr, SECONDSTAGE)
Wir sind ein wenig stolz darauf, dass diese junge Dame ihr erstes Interview in Deutschland unserer Website gab. Kyla La Grange tauchte schon im vergangenen Jahr in unserer Artist To Watch-Rubrik auf, nachdem sie uns mit ihrer ersten Single „Vampire Smile“ gehörig angefixt hatte. Hübsch und abgründig kommt sie daher – eine zwar eingängige aber eigene Popmusik mit bitterer Note. Auf dem Greenville spielt sie eines ihrer ersten Deutschlandkonzerte. Wir sind gespannt, ob diese Musik auch zur nachmittäglichen Spielzeit bei sommerlichen Temperaturen funktioniert. (Daniel Koch)
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Olli Schulz (Freitag, 27.07.2012, 19:45-20:45 Uhr, INDOORSTAGE)
Zwischen Geschichten über Mando Diao-eigene Schnitzel im Backstage, die erste große Liebe, die niemals davon erfahren sollte, Roadie-Arbeit für Peter Maffay, Bartwuchs, Call-Center-Nachschichten und der Menschlichkeit als solcher bewegt sich dieser mitteljunge Herr mit Gitarre um den Hals. Olli Schulz spielt keine Konzerte. Olli Schulz spielt Lieder und erzählt dazu unerschöpflich wahnwitzige, abenteuerliche und alltägliche Geschichten aus seinem Leben oder einem anderen, möglichen. Dabei kratzt er regelmäßig die Kurve vom überaus talentierten Klassenclown zum melancholischen Songwriter und macht seinem selbstgewählten Titel „Showman Olli Schulz“ wahrlich alle Ehre. Wer Schulz bisher live versäumt hat, dem sei die wärmste Empfehlung ans Herz gelegt, das auf dem Greenville nachzuholen. Alle anderen empfehlen sich dieses Konzert vermutlich schon ganz selbstständig.
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The Big Pink (Freitag, 27.07.2012, 17:15-18:00 Uhr, MAINSTAGE)
„Future This„, das zweite Album von Milo Cordell und Robbie Furze alias The Big Pink hat einen leider nicht mehr ganz so gepackt wie „A Brief History About Love“. Aber eigentlich konnte schon das Debüt nicht ganz das einlösen, was die starken Singles „Dominos“ und „Velvet“ an Erwartungen geweckt haben. Was allerdings keine Schande ist, denn diese beiden Songs waren wirklich saugut. Ein Adjektiv, das auch gut zu den Konzerten der Band passt, wo man inmitten von Nebelschwaden immer und immer wieder gegen Feedbackwände laufen konnte, wenn man nicht gerade versuchte im Flackerlicht einen Blick auf die abgefuckt aussehenden Protagonisten und ihre hübsche Drummerin zu erhaschen. (Daniel Koch)
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Fuck Art Let’s Dance (Sonntag, 29.07.2012, 17:30-18:30 Uhr, INDOORSTAGE)
Sehr sicher. Diese drei jungen Herren haben in ihrem Plattenschrank eine umfassende Bloc Party und The Whitest Boy Alive-Sammlung. Und sicher spielen diese Referenzen eine tragende Rolle in ihrer Musik , aber vor allem haben sie über ihre drei Jahre währende Bandgeschichte eine Dynamik entwickelt, die gleichzeitig den Schritt zurück und nach vorne geht, auf atmosphärische Gitarren und tanzbare Beats setzt, Melancholie und treibende Indiedisco in einen Raum vereint und eben dem auch noch einen verdammt jutebeuteltauglichen Namen gegeben. Das Trio wurde gerade frisch von dem Hamburger Indielabel Audiolith adoptiert und tourt fleißig von Stadt zu Stadt – unter anderem auch zum Greenville Festival.
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Gemma Ray (Sonntag, 29.07.2012, 22:00-23:00 Uhr, INDOORSTAGE)
Ach, wir müssen eigentlich gar nicht mehr groß erklären, warum wir Gemma Ray so schätzen. Das haben wir schon bei unseren Nachberichten zum Rolling Stone Breakfast Club und zu ihrem Konzert mit dem Filmorchester Babelsberg getan. Und natürlich in unserer Review zum letzten Album “ Island Fire„. Also, hingehen! (Daniel Koch)
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Flaming Lips (Freitag, 27.07.2012, 22:00-23:15 Uhr, MAINSTAGE)
Was wird es diesmal auf der Bühne sein? Kämpfende Mars-Menschen? Wieder mal Menschen in Tierkostümen? Oder werden sie die hochrangigen Gäste ihre am Freitag erscheinenden CD “ The Flaming Lips And Heady Fwends“ mitbringen (was bei Kalibern wie Chris Martin und Nick Cave eher unwahrscheinlich ist)? Man weiß es nicht, aber zuzutrauen ist den Herren bekanntlich alles. Wir sind jedenfalls der Meinung, jeder sollte einmal die zugleich quietschbunten und todtraurigen Shows der Flaming Lips gesehen haben – ganz gleich mit welchem Auswuchs sie diesmal präsentiert wird. (Daniel Koch)
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HGich.T (Samstag, 29.07.2012, 23:00-00:30 Uhr, INDOORSTAGE)
Man könnte dieses Empfehlungsschreiben mit einer Reihe Fragen beginnen. Was tut dieser Polizist mit Elfenohren da? Warum hat er ein Laserschwert? Und vor allem was macht diese Truppe auf der Bühne, haben die was genommen und wie zum Henker spricht man diesen Namen aus? So wie man es schreibt, könnte man letzteres beantworten, den Rest lassen wir einfach mal offen und behaupten, dass man diese Hamburger Truppe nicht erklären kann, aber nicht verpassen sollte, wenn sie die Bühne auf dem Greenville stürmen und ihre möglicherweise partiell verstörend bis verwundernde Mischung aus Hardcore-Goa, Old-School-Techno, bunten Farben und Dadaismus präsentieren. Das Gegenprogramm zu eigentlich allem!
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The Roots (Samstag, 28.07.2012, 21:45-23:00 Uhr, MAINSTAGE)
Es ist die einzige Show der Roots in Deutschland, die ja noch immer als Hausband von Jimmy Fallon in Fernsehdiensten sind – was sie nicht daran hinderte, ein dunkles HipHop-Meisterwerk wie „Undun“ aufzunehmen. Alles gute Gründe, sich diese Show anzusehen. Wir haben das schon beim Roskilde getan, was zu dieser recht hymnischen Einschätzung führte: „Man wusste ja, dass sie eine gute Live-Band sind, aber wie sie dort zwischen HipHop, Jazz, Rock und Pop herumsprangen und die Menge befeuerten, das hatte eine Klasse und eine Bandbreite, die man HipHop-Crews ja nur selten zutraut. Aber die Roots-Crew ist ja nichts anderes als eine vollständige Band – und eine perfekt eingespielte, weil sie momentan ja die Hausband von Jimmy Fallon ist. Was dann übrigens auch der Grund ist, warum die Roots nur an Wochenenden Festivals spielen können – anders passt das gerade nicht in ihre Verpflichtungen. Spuren eines Jetlags suchte man dennoch vergeblich: Black Thought am Mic und Questlove auf dem Drum-Sessel sind natürlich die beiden Antreiber der Crew, Blickfang war aber zweifelsohne Damon ‚Tuba Gooding Jr.‘ Bryson. Ganz ehrlich: Wieviele HipHop-Acts mit Sousaphon-Spieler gibt es überhaupt? Hat man so eine getunte Tuba überhaupt schon mal in diesem Kontext gesehen? Vermutlich nicht. Dank Bryson ist dieses wuchtige Instrument nun allerdings im HipHop angekommen – und dank seiner zahlreichen Ausflüge ins Publikum hat ihn auch jeder gesehen. Schade nur, dass man das ungemein gut erzählte, düstere letzte Album „Undun“ verschmähte – passte vermutlich nicht so zum mitreißenden Vibe der Show, die eigentlich viel zu schnell vorbei war.“ Tja, aber damals kamen sie nochmal beim Headliner auf die Bühne, und in Ermangelung eines besseren Live-Videos zeigen wir hier noch mal ihren gemeinsamen Auftritt mit Bruce Springsteen… (Daniel Koch)
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Young Rebel Set (Samstag, 28.07.2012, 20:30-21:30 Uhr, SECONDSTAGE)
Muss man diese Band noch vorstellen, die mit „Lion’s Mouth“ und „If I Was“ die Radiostationen im vergangenen Sommer fest im Griff hielten und mit „Curse Our Love“ ein von Titel eins bis zwölf hörenswertes Debüt veröffentlicht haben? Eigentlich nicht, aber wir machen es trotzdem sicherheitshalber noch einmal. Young Rebel Set sieht man live am besten mit einem Pint Bier in der Hand und dem Holzfällerhemd dezent aufgknöpft. Die siebenköpfige Band singt von Abenden im Pub, Herzschmerz, der nordenglischen Tristesse und der „Romantik der working class“. Thees Uhlmann holte Young Rebel Set einst nach einem Konzert in Newcastle begeistert nach Hamburg und Berlin, nachdem man sie live gesehen hat, weiß man warum.