Ein noch größerer Bäng
Am 12. Juli 2012 jährt sich der erste offizielle Auftritt der Rolling Stones zum 50. Mal. Wie das Jubiläum gefeiert wird, hängt nun davon ab, ob Mick und Keith sich wieder vertragen.
Wenn die Informationen stimmen, die der ROLLING STONE von einem Informanten aus der Veranstalterbranche bekommen hat – dann steht seit Mitte Dezember mehr oder weniger fest, was zum 50-jährigen Jubiläum der Rolling Stones im Jahr 2012 passieren soll. Angeblich hat ein Planungsmeeting zwischen Mick Jagger und Keith Richards bereits stattgefunden. Und schon vorab sagte Ri-chards überraschend deutlich: „Ich wüsste nicht, warum wir es nicht schaffen sollten, im nächsten Jahr eine Show auf die Beine zu stellen. Ich würde drauf wetten, dass irgendwas passiert. Es muss ja nicht diese typische Jubiläums-Spektakel-Scheiße sein, aber irgendwie würden wir schon einen angemessenen Ansatz finden.“ Selbst Jagger ließ verlauten, dass „alles möglich“ sei: „Je länger man darüber nachdenkt, desto mehr Optionen tun sich auf.“
Aus der gleichen Quelle war zu hören, dass die internationalen Tour-Giganten AEG Live und Live Nation, aber auch der langgediente Stones-Veranstalter Michael Cohl ihre Angebote schon abgegeben hätten. Eine Jubiläumstour, so heißt es, könne alle Rekorde brechen und „ein perfekter Selbstläufer“ werden.
Auch wenn bis Redaktionsschluss noch keine Details an die Öffentlichkeit gelangt waren, wird das Projekt in Musikerkreisen schon aufmerksam verfolgt. „Die Stones sind Ikonen der westlichen Welt“, sagt Sting. „Ich hoffe, dass sie endlich mit dem Streiten aufhören und das machen, was sie am besten können.“ „Ich würde mich freuen“, so Joe Perry von Aero-smith, „wenn sie in normalen Hallen spielen und den Ball möglichst flach halten würden – so wie sie es bei der, Exile‘-Tour gemacht haben, auf der sie nur ein paar Bläser und Ian Stewart am Piano dabeihatten.“
Schon als sich die Band im vergangenen September in ihrem Londoner Büro traf, hatten Keith Richards, Ron Wood und Charlie Watts vereinbart, im November zu einer lockeren Jamsession zusammenzukommen. „Zum Warmwerden würde ich jede Menge Blues empfehlen“, sagte Richards damals. „Das sind nun mal die Wurzeln der Band. Wir fangen mit Sachen von Jimmy Reed und Muddy Waters an und sehen dann, wohin uns die Reise führt. Mick wird es wohl tödlich langweilen, aber das sollte uns doch nicht stören.“
„Natürlich ist auch Mick eingeladen“, fügte er an. „Ich bin mir sogar sicher, dass er kommen wird.“
Richards‘ Autobiografie „Life“ hatte ein wenig schmeichelhaftes Bild von Jagger und seinen Beiträgen für die Stones gezeichnet – und die Beziehung der beiden nachhaltig belastet. „Die Wunden“, so Wood, „müssen sicher noch heilen. Der Prozess hat bereits begonnen, aber ein paar Brocken müssen noch aus dem Weg geräumt werden. Sie werden wieder lernen müssen, gemeinsam zu arbeiten – was Charlie und ich unterstützen können. Wobei: Ein bisschen Glück dabei kann ich gut brauchen.“
„Ja, ja, der Heilungsprozess“, lacht Stones-Saxofonist Bobby Keys. „Eine unendliche Geschichte. Als ich beim letzten Mal mit ihnen auf der Bühne stand, floss allerdings kein Blut. Am Ende finden sie immer eine Lösung.“ Peter Wolf, einer ihren alten Freunde, bleibt ebenfalls gelassen: „Wenn man die Geschichte musikalischer Partnerschaften Revue passieren lässt, sieht man, dass auch Gilbert und Sullivan nicht immer ein Herz und eine Seele waren. Wenn man sich einfach entschließt, wieder zusammenzuarbeiten, ist das die beste Medizin.“
Richards könnte sich sogar eine große Welttournee in Hallen und Stadien vorstellen, ähnlich wie die „Bigger Bang“-Tour von 2005. „Aber ich habe Zweifel, dass Mick mitziehen würde. Wenn es allerdings doch so weit kommt, sollten wir gut vorbereitet sein. Ich würde sogar Billy Wyman und Mick Taylor einladen. Warum nicht? Es ist das 50-jährige Jubiläum! Jeder hat sich eine Party verdient.“
Eine logistische Option, so Insider, bestehe darin, die Band nicht auf eine klassische Tour zu schicken, sondern mehrere Gigs in einer Stadt geben zu lassen. „Die Idee, mehrfach hintereinander in Städten wie New York oder Los Angeles, vielleicht auch Chicago und Atlanta aufzutreten, kann ich mir gut vorstellen“, sagt ihr langjähriger Keyboarder Chuck Leavell – Bobby Keys geht sogar noch weiter: „Wenn ich mir in meiner Fantasie den optimalen Stones-Gig ausmalen dürfte, dann fände der in einer einzigen Stadt statt. Statt ständig auf Achse zu sein, könnten die Leute genauso gut zu uns kommen.“
Zum 40. Geburtstag hatten sie auf der „Licks“-Tour 2002 und 2003 in Stadien, Hallen und Clubs gespielt (oft genug in ein und derselben Stadt) und parallel eine CD-Retrospektive zusammen mit neuen Songs veröffentlicht. Neues Material steht diesmal definitiv nicht zur Diskussion. „Ich schreibe momentan keine Songs für die Band“, so Richards, der an einem Soloprojekt arbeitet. „Es erinnert an frühe Chess-Aufnahmen. Ich nehme die Sachen derzeit mit (Produzent und Drummer) Steve Jordan auf. Es ergibt keinen Sinn, Sachen für die Stones zu schreiben, solange ich nicht weiß, ob Mick mit an Bord ist. Er könnte jeden Song haben, den ich je geschrieben habe. Wenn er sie nicht mag oder an ihnen rumnörgelt, finde ich schon einen anderen Verwendungszweck.“
Zum letzten Mal trat die Band im August 2007 gemeinsam auf, als sie in der Londoner O2-Arena die „Bigger Bang“-Tournee abschlossen, die 558 Millionen Dollar einspielte. „Ich wollte gar nicht mehr aufhören“, erinnert sich Wood. „Es war, als ob wir auf einer riesigen Welle surften.“ Seitdem waren die Mitglieder ungewöhnlich produktiv: Jagger veröffentlichte ein Album mit der Allstar-Band SuperHeavy, Richards veröffentlichte sein Buch, Watts tourte mit seiner alten Jazzband, Wood veröffentlichte ein Soloalbum.
Selbst Jagger, das vermutlich unsentimentalste Stones-Mitglied, kommt angesichts des anstehenden Jubiläums nicht umhin, über den langen Weg der Gruppe zu reflektieren: „Es ist eine völlig andere Band als vor 50 Jahren. Und wenn ich darüber nachdenke, sagt ein Teil von mir: Eigentlich schummeln wir ganz schön – weil es nicht mehr die gleiche Band ist. Der Name ist geblieben, aber eigentlich sind nur Keith und ich von Anfang an dabei. Ich habe rauszufinden versucht, wann genau Charlie erstmals mit uns spielte, aber ohne Erfolg. Trotzdem: Es ist eine erstaunliche Leistung, auf die ich ungemein stolz bin.“