Bob und wir
Auch in der deutschen Popszene hat Dylan Spuren hinterlassen. Einige Beispiele.
Das Vorbild
Bruce Springsteen hat Bob Dylans Einfluss auf Musiker seiner und nachfolgender Generationen mal so auf den Punkt gebracht: „Like Elvis freed your body, Bob freed your mind.“ Das heißt natürlich auch, dass diejenigen, denen angesichts des Dylan’schen Werkes nichts anderes einfällt, als die alten Lieder einfach devot nachzuspielen, eben gerade nicht von Bob Dylan beeinflusst sind, denn warum sollten befreite Geister so etwas tun? Dylan steht ja gerade nicht für Stillstand, sondern für Wandel und Rekontextualisierung. Er ist nicht daran interessiert, die Dinge ins Museum zu stellen – sondern daran Tradition weiterzuschreiben. Einige Vertreter deutschsprachiger Popmusik haben das verstanden und adaptiert.
„Dylans Einfluss auf die Goldenen Zitronen hat mit dem Zeitpunkt zu tun, an dem wir unser Konzept neu überdenken mussten“, sagt zum Beispiel Ted Gaier und bezieht sich auf die Zeit, in der seine Band mit dem Song „Am Tag, als Thomas Anders starb“ kurzzeitig in der Tote-Hosen-Liga spielte. „Wir wollten Schluss machen mit diesem Funpunk. Also brauchten wir längere Textstrecken. Die Idee war, eine Art polemischer Berichterstattung zu machen von den Dingen, die einem auf die Nerven gehen.“ Mit musikalischen Mitteln, die Funpunkfans auf die Nerven gehen, nutzen die Zitronen Dylan als Anstifter zur polemischen politischen Berichterstattung.
Christiane Rösinger hat für ihr aktuelles Album „Songs Of L. And Hate“ das Cover von Dylans „Bringing It All Back Home“ zitiert und ein paar entscheidende Details verändert. Im Original sieht man eine rauchende Frau in rotem Kleid auf einer Chaiselongue drapiert, bei Rösinger ihren musikalischen Partner Andreas Spechtl, Sänger der Band Ja, Panik. Seiner Jugend zum Trotz kennt auch er seinen Dylan. Zitiert ihn auf dem neuen Album „DMD KIU LIDT“ zum wiederholten Male. Ja, Panik haben keine Angst vor der Tradition und auch nicht davor, sie zu modifizieren. Sie stellen sich (selbst-)bewußt in die Ahnenreihe der Wortklau(b)er, zu denen natürlich auch Blumfelds Jochen Distelmeyer gehört, der in seine Lieder Referenzen von Schiller (Friedrich) bis Schreuf (Kristof) einbaute. Auch wenn er von dieser Traditionslinie eine Zeit lang nichts wissen wollte. Angesprochen auf die offenkundigen Parallelen zwischen Dylans „Desolation Row“ und Blumfelds „Jenseits von Jedem“ weicht er aus.
„Da haben mir wahrscheinlich irgendwelche Jugendprägungen ein Schnippchen geschlagen“, meint er. „Und beim Schreiben dachte ich, das kenne ich doch irgendwoher … Also Dylan schon wieder., Desolation Row‘ ist natürlich mitreißend, aber man ist mehr von der Kraft, von der Stärke, vom Atem dieses Typen beeindruckt als von dem, was wirklich passiert. Da ist jemand sehr talentiert, hat aber keine eigene Stimme, sondern ist ein Wegbereiter für das, was man später postmodern nennt. Dylan hat seine Hausaufgaben gemacht, hat den Style drauf, er kann den Woody machen, den Fred Neil, den Van Ronk … Er denkt sich eine eigene Stimme aus, findet eine eigene Stimme, einen eigenen Namen.“
Auch das ist eine Form von Freiheit, von der man lernen kann, um sich von seinen Vorbildern emanzipieren. Flowerpornoes-Sänger Tom Liwa, in dessen Werk sich auch immer wieder Spuren Dylans finden, hat seine Lektion gelernt und geht sogar noch einen Schritt weiter: „Ich hasse Zimmermann – und die Instanzen hinter ihm – für die vielen Jahre meines Lebens, die es mich gekostet hat, ihn als Identifikationsmodell zu überwinden und zu erkennen, was hinter seinem Werk steht: nichts als Verachtung, Rachegefühle, verletzte Eitelkeit und boshafte Ignoranz.“
Klaus Walter ist Moderator, DJ und Journalist. Bis 2008 moderierte er auf HR3 die Sendung „Der Ball ist rund“, heute kann man ihn bei ByteFM hören.