Herbert Grönemeyer – Mensch

Das Leben schreibt die berührendsten Songs: Als Grönemeyers Frau Anna und sein Bruder Wilhelm innerhalb kurzer Zeit sterben, zieht er sich in seine Wahlheimat London zurück und versucht zu verdauen. Fast vier Jahre vergehen bis zum nächsten Stück Musik des gebürtigen Göttingers, den alle Welt als Bochumer kennt: „Mensch“. Im Song wie im gleichnamigen Album geht es ihm um Trauerbewältigung, um die Suche nach Perspektive, nach dem Herrwerden über Licht und Schatten – eben darum, ein akzeptables Bewusstsein für die Vergangenheit zu entwickeln und wieder nach vorn blicken zu können. Kurz: ums menschliche Dasein. Das Lied „Mensch“ zeigt den Künstler Grönemeyer von seiner ergreifendsten Seite: Die seltene Fähigkeit, seine Hörer abzuholen, sie des deutschen Sprechgesangs im Wechselspiel mit Pop-Zitaten. Ein Jahrzehnt hatte in seine eigene Lebenssituation zu versetzen und ihnen Verständnis und eine Schulter zu bieten, hebt ihn von allem ab, was sich zu jener Zeit die UKW-Frequenzen mit ihm teilt. Nicht aufgewühlt emotional, sondern sortiert, erwachsen, realistisch. Mit Restschmerz und ohne neue Flammen. „Teil mit mir deinen Frieden/wenn auch nur geborgt/ich will nicht deine Liebe/ich will nur dein Wort“, singt er und sieht das Positive: „Es tut gleichmäßig weh.“ Grönemeyers Stärke, seine Wahrheit und seine Erkenntnisse berühren die Fans und machen „Mensch“ auch wirtschaftlich zu seinem größten Erfolg: Der Song landet als erste Grönemeyer-Single an der Spitze der Charts, das dazugehörige Album wird noch vor seiner Veröffentlichung aufgrund der Vorbestellungen mit Platin ausgezeichnet und erreicht, was Wunder, ebenfalls Platz eins. Am Ende wird der Nuschel-Sänger allein in Deutschland mit einundzwanzig Gold- und zehn Platin-Auszeichnungen bedacht. Kein Trost, aber eine Anerkennung seiner Klasse als Künstler, Musiker und Texter. Und als Mensch.

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