Pop Comes Alive
Die große Rockvermarktungsmaschine lief auf Hochtouren, Bands gingen unentwegt auf Tournee, füllten Stadien und entdeckten nebenbei eine goldene Kuh: Wer in Tokio dabei war, wollte einen Mitschnitt als Souvenir. Wer in Tokio nicht dabei war, also der Rest der rockhörenden Menschheit, wollte auch einen Mitschnitt, um das verpasste Großereignis wenigstens zuhause und mit zwei mal 15 Watt nachzuerleben. Alle wollten Live-Alben. Und alle kauften sie. Stefan Krulle 10 In den sechziger Jahren galt der Rockkonzertmitschnitt eher als Kuriosum, ab 1970 aber etablierte er sich nachhaltig: „Live At Leeds“ von The Who (1970) etwa, ein ruppiges und reichlich ungeschöntes Stück Hardrock. Die Rolling Stones antworteten mit „Get Yer Ya-Ya’s Out“ (1970), doch getoppt wurden beide Werke durch „Made In Japan“ von Deep Purple (1972): Der Prototyp des Live-Doppelalbums erreichte 1973 Platz zwei der deutschen LP-Jahrescharts – nur übertroffen von Heino und seinen „Größten Erfolgen III“. Was „Made In Japan“ der schwarzbraunen Haselnuss voraus hatte: Das Album inspirierte eine ganze Generation von Headbangern und Luftgitarristen, wozu die großen Gesten und omnipräsenten Soli ja auch einluden. Die siebziger Jahre werden ja gerne als Quintessenz des Space Age wahrgenommen: Spazier-Das Format feierte fortan Hochkonjunktur: Amerikas Comic-Rocker Kiss ließen die Doppel-LPs „Alive!“ (1975) und „Alive II“ (1977) vom Stapel, auch nur im Doppelpack gab es „Recorded Live“ von Ten Years After (1973), Little Feats „Waiting For Columbus“ (1978) und „Status Quo Live!“ (1977). Im selben Jahr setzten auch die Rolling Stones mit „Love You Life“ aufs Zweifach-Set, und selbst die Beatles warfen das naturgemäß angejahrte „At The Hollywood Bowl“ in den Ring. Einzug hielt. Moogs SynthesizerModule erzeugten die künstlichen Klänge, aus Bob Dylan platzierte in den Siebzigern gleich zwei Doppelschläge, „Before The Flood“ (1974) und „At Budokan“ (1979), das großspurigste aller Live-Doppelalben aber stammte von einem anderen: „Frampton Comes Alive“ (1976, Foto oben) warf nicht nur drei Single-Hits ab, sondern toppte auch die US-Charts und ging weit über zehn Millionen Mal über die Ladentische. Die goldenste aller Kühe.