Ästhetik als Strategie

Die Dresdner Band Polarkreis 18 setzt von jeher auf eine konzeptuelle Visualisierung ihrer Musik, sei es in der Ästhetik ihrer Videos oder in der Inszenierung auf der Bühne. Aber warum eigentlich?

Als Polarkreis 18 im Jahre 2004 aus der Band Jack Of All Trades hervorgingen, war schnell klar, dass man sich nicht nur auf die Musik konzentrieren wollte. Im Laufe der Zeit entwickelten Sänger Felix Räuber und seine Kollegen ein visuelles Konzept. „Irgendwann haben wir uns zusammengesetzt und überlegt, wie wir unsere Auftritte konkret gestalten können. Wir waren uns einig, dass wir als Band nicht nur mit Musik, sondern mit den verschiedensten Medien arbeiten mochten“, erinnert sich der Sänger, an dessen pathetischen Gestus sich das Publikum scheidet: Was für manche eine übertriebene und theatralische Inszenierung ist, stellt für andere großes Gefühlskino dar. Und genau um letzteres geht es der Band – gefühltes Kino im weitesten Sinne, also dem Publikum einen Film zur Musik vor Augen zu führen.

Auf allen Kanälen

Damit begann man konkret im Jahre 2005, als während der Konzerte der eigens produzierte „Klangfilm“ auf eine Leinwand projiziert wurde. „Unsere Auftritte sollen ein Gesamterlebnis sein. Licht, Video und Musik sollen zusammenspielen. Das war auch die Grundidee hinter dem ‚Klangfilm‘, der aus rund 18.000 Fotos besteht, die zu einem Film verschmolzen.“ Auf YouTube hat es der Film bislang schon auf deutlich über 50.000 Clicks gebracht. Was Felix Räuber mit gemischten Gefühlen beurteilt. „Natürlich ist es für einen perfektionistischen Künstler schwierig, wenn ein Musikfilm dann vor allen Dingen im Internet seine Aufmerksamkeit erfährt, obwohl er dort gar nicht so wirken kann wie auf einer Leinwand. Aber natürlich ist das Internet auch ein wichtiges visuelles Medium, um subkulturelle Ansätze in der Öffentlichkeit zu etablieren, die auf den herkömmlichen Mainstream-Kanälen gar nicht laufen würden.“

Corporate Identity der Kunst?

Einer dieser Kanäle ist natürlich auch das Fernsehen. Im Musikfernsehen – beziehungsweise dessen Ruinen – rotierte kürzlich das von Hagen Decker gedrehte Video zur Single „Allein Allein“. Und dass, obwohl oder gerade weil es nicht auf plumpe Effekte, sondern auf große Bilder und Panoramablick setzt. Auch jenseits ihrer Videoclips überlassen Polarkreis 18 ihre audiovisuelle Wirkung nicht dem Zufall. „Auftritte im TV sind für uns schon von besonderer Bedeutung. Vor allen Dingen deswegen, weil wir das noch gar nicht so oft gemacht haben. Aber auch, weil wir eine Performance im Fernsehen ähnlich wie einen offiziellen Videodreh angehen: nämlich als Inszenierung.“ Wer die Dresdner schon einmal live gesehen hat, der weiß, dass Felix Räuber es so meint, wie er es sagt. Von der Bühnengarderobe bis zum Albumcover passt alles in ihr durchdachtes optisches System – was für das Unternehmen die so genannte Corporate Identity darstellt, scheint für Polarkreis 18 ihr visuelles Konzept zu sein. Eben eine bewusste und konsequente ästhetische Strategie.

Visualisierung als Vision

„Die Bildsprache von Musik ist bedeutender geworden. Denn mit dem Wachstum der Medien wachsen auch der Anspruch und die Erwartungshaltung des Zuschauers an das Gesamtergebnis des Schaffens einer Band. Und natürlich verfolgt eine starke Visualisierung auch das Ziel, sich von anderen Bands abzusetzen. Das beste Beispiel hierfür sind die Gorillaz, denen das mit ihrem virtuellen Konzept auch unglaublich gut gelungen ist.“ In Konzepten wie diesen sieht der Frontmann von Polarkreis 18 die Zukunft. „Musik wird immer stärker mit computergesteuerter Kunst zu einem visuellen Erleben zusammengeführt werden und bald regelmäßig nicht mehr nur auf Leinwänden oder Displays stattfinden.“ Bis es aber endgültig so weit ist, werden Polarkreis 18 noch weiterhin ihren im wahrsten Sinne des Wortes „Klangfilm“ aufführen. Ob nun während ihrer Auftritte oder in ihren Videos. Und ganz bestimmt auch mit ihrer für das kommende Jahr geplanten Konzert-DVD.

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