In Rainbows – Radiohead
Diese Band ist eine einzige Verweigerungshaltung. Von der frühen Entscheidung, ihren größten Hit „Creep“ nie wieder live zu spielen, über die postmodernen Kunstfeuerwerke „Kid A“ und „Amnesiac“, die auf ihr kommerzielles Über-Album „OK Computer“ folgten – bis hin zu ihrer Phase ab 2000, wo sie sich den üblichen Mehrzweckhallen versagten und ihre Konzerte in einem eigens klangdesignten Zirkuszelt zelebrierten, um der Kunst und dem Sound genüge zu tun: Der Erfolg von Radiohead basiert – neben der brillant eigenständigen Musik, diesem Oszillieren durch ein vollkommen eigenes, hochgradig anziehendes Klanguniversum – auf ihrer grundlegenden Einstellung, die Dinge anders zu machen. Der logische nächste Schritt bestand im Überdenken der Distribution von Musik: Ausgehend von der Annahme, dass sich das bisherige Geschäftsmodell endgültig überlebt hat, wagten sie nach dem Ende ihres Deals mit EMI den Schritt ins Internet, um ihre Musik zunächst nur dort über die eigene Homepage anzubieten. Kaum ein Jahr ist das her, mittlerweile sind ihnen viele Künstler auf diesem Weg gefolgt: Von den Industrialrockern Nine Inch Nails über die Songwriterin Ane Brun bis zum HipHop-Querkopf Saul Williams. Die Methoden, Download-Qualitäten und zu entrichtenden Preise sind dabei noch höchst unterschiedlich, und doch zeichnet sich ab: Hier gehen Musiker, die auch in ihrer Kunst nach einem immer wieder individuell anderen Ansatz suchen, als Erste die zukünftigen Wege für die gesamte Musikindustrie. Mit darüber hinaus unabsehbaren Folgen und Möglichkeiten der Interaktion zwischen Künstler und Fan: So stellten Radiohead, die hier wiederum dem Ansatz von Nine Inch Nails folgten, einzelne Spuren der Songs von „In Rainbows“ ins Netz, um sie frei zu geben für Remixarbeiten. Dass „In Rainbows“ darüber hinaus ein brillant ungewöhnliches, in seiner spröden Pop-Ästhetik wieder einmal geradezu majestätisches Werk ist, war bei ihnen zu erwarten – und es dürfte auch dazu beigetragen haben, dass der physische Tonträger, der immerhin erst zwei Monate nach der Online-Veröffentlichung erschien, dennoch weltweit auf die Spitzenpositionen der Charts stieg. Radiohead läuteten damit im Musikgeschäft eine Revolution ein, die noch in den Kinderschuhen steckt – zugleich aber ein Zukunftsentwurf ist, in dem aus einer Rebellion gegen die starren Businessgesetze vermutlich der Musikmarkt für die nächsten Generationen erwächst.