Can‘ t White Men Sing The Blues?
Was für eine selten blöde Frage! Natürlich bringen’s weiße Jungs ((und Mädels) nicht. Wo soll der Blues denn auch herkommen? Merkt man doch schon am verkeimten Jammern, dass da gut 400 Jahre an Unterdrückungserfahrung fehlen. Mit lumpigen drei Jahren Hartz IV kommt schlichtweg nicht der nötige Leidensdruck zusammen. Nicht mal für dreieinhalb Minuten.
Wenn es je für irgendetwas von Vorteil war respektive ist, „Neger“ zu sein, dann für die Musik der letzten hundert Jahre. Darf man überhaupt „Neger“ sagen? In vorgeblich liberalen Gesellschaften werden die ja Afro-Amerikaner oder Afro-Lateinamerikaner genannt. Wohingegen sich der Afro-Italiener oder -Pole nie so recht durchsetzen konnte. Sagt man dann in Afrika „Afro-Afrikaner“, um selbige von den zahlreichen Ethnien zu unterscheiden? „Schwarzer“ ist okay, bedeutet aber mal sowas von dasselbe, dass es nur so kracht.
Dass der Neger nicht mehr so geheißen werden soll oder will, schuldet die Welt übrigens so arroganten Geistern wie Immanuel Kant und auch Albert Schweitzer – ersterer nannte den Afroamerikaner einen „Wilden“, und der Dschungeldoktor empfand sich als dessen „großen (weißen) Bruder“. Dann sind da noch die irren Rassenfetischisten, die allerdings musikalisch sowieso eher im Marschbereich anzusiedeln sind. Ein künstlerisches Idiom, das Menschen mit äh…, schwarzafrikanischem Migrationshintergrund (german version!) völlig fremd ist. Auch mit der Klassik haben sie es nicht so, da man weder im Kongo noch in Louisiana Geld oder Sinn für Orchestermusik hatte.
Sklavenhaltung ist eben kein Ponyhof. Weshalb die äußerst realistische Verkettung unmenschlicher Umstände den Leidenden den Blues praktisch in die Gene trieb. So gossen die Sklaven das Fundament der Unterhaltungsmusik der neuen/alten Welt. Das ist doch wohl gelebter Zynismus.
Der amerikanische Film bannte diese Entwicklung gerne auf Bilder, auf denen brave Schwarze aus Liebe zu ihrem Beruf ganze Baumwollfelder leersingen. Und die Peitsche schlägt dazu harmonisch den Rhythmus, während hinter dem Herrenhaus der hochanständige Großgrundbesitzer zärtlich ein Mädchen beiseite nimmt. Welch‘ idyllische Sozialbrache! Aber selbst in diese leicht geschönte Szenerie wollen weder die Gesichter noch die Stimmen von Neil Diamond bis Xavier Naidoo passen. Geht gar nicht.
Wovon sollen sie auch singen? Den Zahnarzttermin verpasst, die Nationalmannschaft nur Dritter? Ähnlich verhält es sich mit den allermeisten weißen Rappern. Es macht halt einen Unterschied, ob man auf dem Schulweg in eine 45er blickt oder nur dem Schulbus hinterher. Das Leben in L.A.s South Compton ist denn doch eine Note rauer als in der ach so wilden Vorstadt von Offenbach. Weshalb der geschichtsbewusste Weiße gewissensbedrängt lieber von der Liebe singt – einem Hüft- und Herzleiden, das sich wie ein Roter Faden durch die musikalische Menschheitgeschichte zieht.
Auch mittelfristige Bargeldlosigkeit eignet sich als gemeinsamer Nenner. Was angesichts der in der Plattenbranche gescheffelten Millionen jedoch fadenscheinig, wenn nicht verlogen wirkt. Zugegeben, ein paar dürre weiße Halme ragen aus dem weiten Feld der schwarzen Musik. Einer wie Eric Burdon etwa sang so eindringlich von falschen Verlieren, dass die Schwarzen ihn nur noch, sagen wir: halbscheiße fanden. Was den Weißen am Ende bleibt, ist der Punk.