Mächtige Bilder, Worte der Ohnmacht
Zum zehnten Jahrestag der Terroranschläge vom 11. September zeigt das C/O Berlin in der Ausstellung „Unheimlich vertraut“ überraschende Perspektiven.
Die Assoziation stellt sich schon ein, wenn man zwei Papierstapel sieht, so sehr haben sich die Bilder von den Terroranschlägen am 11. September 2001 auf das New Yorker World Trade Center in unser Gedächtnis eingebrannt. Die Künstlerin Coco Kühn hat diese Türme für ihre insgesamt vierteilige Serie „Stacks“ aus Ausgaben der „Berliner Zeitung“ gebaut, die an den vier Tagen nach den Anschlägen erschienen. Man kann schon an der Falz erkennen, wie sich die Berichterstattung in dieser Zeit veränderte – wie der Bildanteil immer kleiner und der Textanteil immer größer wurde, wie die Ohnmacht und die Sensation der Analyse und Verarbeitung Platz machten. Auf der Ausgabe vom 12. September (linkes Bild) nimmt das Foto die volle Seitenbreite ein, in den Folgetagen reduziert sich die Bildgröße um jeweils eine Spalte, bis sie am 15. September (rechtes Bild) wieder zur für die Zeitung üblichen Größe zurückgefunden hat. Durch das jeweilige Farbschema lassen sich sogar Aussagen über die Bildinhalte machen: von den Braun- und Grautönen der zerstörten Türme, über den hellen Feuerschein der Explosionen bis zu den Farben der amerikanischen Flagge. Auch die in der Falz lesbaren Namen wie Osama bin Laden, Saddam Hussein oder General Norman Schwarzkopf geben Informationen über den Kontext des Geschehens.
Zu sehen ist Kühns Arbeit ab dem 10. September in der Ausstellung „Unheimlich vertraut“ des C/O Berlin. Dort wird bis zum 4. Dezember anhand von Terrorbildern der vergangenen Jahrzehnte und ihren künstlerischen Bearbeitungen die Bedeutung von Fotografien in unserer Gesellschaft demonstriert. Bilder sind mehr als bloße Abbildungen von Sachverhalten oder Ereignissen, so die zentrale Aussage der Ausstellung, sie produzieren in vielen Fällen selbst neue Realitäten, beeinflussen den öffentlichen Diskurs und rufen Reaktionen hervor. Terrorakte werden seit dem Anschlag auf die israelische Delegation bei den Olympischen Spielen 1972 in München im Hinblick auf ihre mediale Wirkung inszeniert. So werden die Medien mit jedem Bild, das sie zeigen, unfreiwillig zu Kollaborateuren. Neben insgesamt 200 historischen Fotografien aus dem Archiv des „Spiegel“ sind die Arbeiten von rund 30 Künstlern zu sehen, die sich mit den Bildern des Terrors auseinandergesetzt haben. Neben Coco Kühns werden u.a. Werke von Thomas Ruff, Thomas Hirschhorn, Helmut Newton und Natalie Czech gezeigt. mb