Zum Tode Karl Lagerfelds

Karl Lagerfeld im Porträt: „Sie sind aber nicht von der Bande von Baader-Meinhof, ne?“

Juni 2007: eine moralische Bildungsreise nach Paris, in den Buchladen von Karl Lagerfeld - zu einem Gespräch über die RAF, Pete Doherty, die grauenhaften 50er-Jahre. Und das Problem, mit dem Knick in der Welt zu leben.

Das ist schon ein Problem, vielleicht ein viel größeres, als wir denken: dass Prominente heute keine guten Vorbilder mehr sind, nicht mal theoretisch. Weil sie nie irgendwas einfach nur so machen. Weil man ihnen Geldgier und Gefallsucht so mühelos unterstellen kann. Wenn die irren Erklärungen nichts mehr nützen, geben sie sogar noch zu, dass sie gedopt oder heimlich bei einer Autofirma unter Vertrag waren. Nichts dagegen, kann ja clever sein. Aber wer würde von solchen Leuten einen Lebensrat annehmen? Falls er nicht dringend eine „Was macht eigentlich gerade …“-Kolumne füllen muss?

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Worauf das hinausläuft: Der Einzige, dem man vertrauen könnte, ist natürlich Karl Lagerfeld! Unnahbar, herzenskühl, rittmeisterlich strikt. Nie würde er die Wahrheit schleimig biegen. Simple Bosheit muss ihm zu billig sein, und er hat noch mehr große Eigenschaften: er, der mit 68 (oder 73, falls wir windigen Zeitgenossen mehr glauben als ihm) jede Saison mindestens die gewaltigen Kollektionen für die Häuser Chanel in Paris, Fendi in Rom und die eigene Marke designt, auch die Kampagnen gestaltet, für Hefte fotografiert und Bücher macht und seine Nase allein pro Jahr so oft der Kritik hinstreckt, wie es andere feine Herrschaften in den letzten zehn Jahren nicht geschafft haben.

Karl Otto Lagerfeld (* 10. September 1933 in Hamburg, gestorben 19. Februar 2019, Paris)

Lagerfeld, der so reiche Eltern hatte, dass es eh egal ist, wie viele Fantastillionen er verdient. Der angenehmerweise auch nie so tut, als wäre er ganz unten bei den Leuten oder würde es dort auch nur eine halbe Minute lang aushalten. Und der zumindest im Fernsehen nachweisbar nichts mit der Absicht sagt, sich beim Publikum beliebt zu machen (obwohl er beim Ohr-zu-Ohr-Geplausche mit Prinzessin Caroline sicher ein rechter Komplimenteur ist).

Das sind genau die Gründe, aus denen viele den größten und erfolgreichsten deutschen Modedesigner aller Zeiten für einen Fatzke halten, der keine Kritik verträgt. Aber wenn man am Ende ist, wenn Familie und Bekanntenkreis versagt haben, muss man sich mit den letzten Fragen eben auf den Weg nach Paris machen. Nach Deutschland kommt Karl Lagerfeld ganz selten. Vor einiger Zeit hat er sich ein Haus in Hamburg gekauft. Als er nach zwei Jahren merkte, dass er noch immer nicht dort gewesen war, ließ er es wieder ausräumen.

Aufregung unter Lagerfelds Mitarbeitern

Ganz richtig, schönes Wetter in Paris, wie üblich. Ein Häusersprung vom linken Seine-Ufer, um die Ecke von der Abteikirche St. Germain-des-Prés, findet man in der engen Rue de Lille nach dem Musée d’Orsay und sinnlos vielen Möbel-Antiquariaten noch die Hausnummer 7, siebtes Pariser Arrondissement, Lagerfelds Buchgeschäft Libraire 7L. „7L“ heißt seine Edition beim Göttinger Steidl-Verlag, und die sieben Bände schwere Anthologie von Andy Warhols „Interview“-Magazin, die gleich mitsamt Henkel und Rädern zum Hinterherrollern verkauft wird, steht gleich in der Ladenecke. Aber es gibt alles Mögliche hier. Während man bei Chanel in der Rue Royale vom Personal schon tödlich bestarrt wird, wenn man nur zu lange an der Fens-terauslage stehen bleibt, ist es hier extrem gemütlich.

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An den Haarspitzen spürt man die Aufregung unter Lagerfelds Mitarbeitern. Einen Tag vorher ist nämlich in Deutschland ein Interview mit dem plapperfreudigen Ex-Terroristen Peter-Jürgen Boock erschienen, der unter anderem sagt, die RAF habe in den 70er-Jahren Pläne gemacht, Lagerfeld zu entführen. In den Boulevardzeitungen ist die Randbemerkung Überschrift („Lagerfeld stand auf der RAF-Liste“), PR-Frau Caroline – die wie die anderen fröhlich lächelnd jede Beteuerung ignoriert, man könne nicht besonders gut Französisch – hat endlich den „Spiegel“ und sucht fürs Archiv nach der Passage, den drei Sätzen, die für die Verhältnisse im Haus relativ klein sind.

Kein Tamtam, Karl Lagerfeld kommt. Viel zu pünktlich. Er trägt ein weißes Hemd von Hilditch & Key, eine smaragdgrün-rote Krawatte von Commes des Garçons mit passender Brosche von Cartier, eine weiße Jeans von Dior mit einem Gürtel von Chrome Hearts, Schuhe von Raymond Massaro und oben drüber einen schwarzen kurzen Dior-Regenmantel aus Popeline, den er besonders gern hat, weil der nicht so warm ist. Also: Er sieht aus wie immer. Dazu die Handschuhe, eine Spezialanfertigung, obwohl er sonst nur fertige Sachen kauft und nichts ändern lässt, weil er es hasst, wenn Schneider an ihm rumfummeln: fingerlos aus schwarzem Leder, mit Metallringen an den Knöcheln und klimpernden Reißverschlüssen. Er riecht wahnsinnig gut, „White“ von Comme des Garçons. Als Caroline ihm mitteilt, das sei jetzt ein deutsches Interview, switcht er ohne Ruckeln vom Stakkato-Französisch in den Hamburger Akzent.

„Sie sind aber nicht von der Bande von Baader-Meinhof, ne?“, fragt er, natürlich ohne zu lachen. „Haben Sie’s gelesen?“ – er geht vorbei, voraus -„Unglaublich! Lächerlich!“

Gar nicht erschrocken bei der Nachricht? „Nein“, sagt Lagerfeld, der sich im Besprechungszimmer an einen raumgreifenden runden Tisch gesetzt hat, den er wahrscheinlich ganz allein bis zum Rand mit Büchern, Bildbänden, Zeitschriften, Briefen und Skriptordnern zugestapelt hat. Assistentin Caroline bringt die Coke Zero. Alle halbe Stunde wird aus einer frischen Dose das Kelchglas befüllt. Ab und zu muss Caroline Dinge für ihn suchen, wenn ihm im Lichtgewitter der Assoziationen irgendetwas einfällt, das er zeigen oder anfassen will.

„Altes jüdisches Nazi-Schwein!“

„Die haben sich damals wohl bei den Banken erkundigt. Mein Vater war tot, meine Mutter lebte noch, die hätte Lösegeld zahlen können. Heute kann ja keiner mehr zahlen, denn Firmen zahlen ja nichts. Wenn sie mich heute wegnehmen, wird keiner zahlen. Kriegt ja keiner das Geld zusammen. Ich bin kein interessantes Opfer mehr.“

Ob er Ende der Siebziger so etwas geahnt hat? „Nicht unbedingt. Ich kriegte Briefe aus Deutschland, da standen Sachen drin wie, Altes jüdisches Nazi-Schwein!“‚ Oh. Dabei ist er nicht mal Jude. „Nein, aber ich wäre gern einer gewesen! Weil ich die Mentalität sehr gut finde. Ich bin ja sehr Walter Rathenau, Stummfilme und so …“

Rathenau, resoluter linksliberaler Außenpolitiker der ersten Nachkriegszeit, 1922 ermordet, literatursinnig, wahrscheinlich schwul, von Lagerfeld gelegentlich als letzter gut angezogener Politiker Deutschlands gelobt, gilt als Vorbild für den Charakter, den Lagerfeld auf der sich unter ihm vorwärts drehenden Erdenbühne verkörpert. Den zehn Zentimeter hohen Steifkragen hat er allerdings vom eigenen Patenonkel abgeschaut, und in die Falle der 20er-Jahre-Nostalgie geht er keineswegs. Nein, zu der Zeit hätte er nicht gern gelebt, sagt Lagerfeld, denn sonst wäre er jetzt ja schon tot.

„Obwohl, die Rolle eines wohlhabenden Privatgelehrten wäre nicht schlecht gewesen!“ Ungezählte Talkmaster, die auf behagliche Schnurren eingestimmt waren, hat Lagerfeld schon abgemeiert: Über die Vergangenheit spreche er nicht, dazu seien Gegenwart und Zukunft viel zu interessant und elektrisch. Vielleicht auch zu amüsant, so nennt er halbfranzösisch alle wohlgefälligen Dinge. Auf Lagerfelds erster Musik-Mix-CD „Les Musiques Que J’Aime“ ist mit zwei Ausnahmen – eine ist von Strawinsky – auch kein Stück älter als zwei Jahre.

Karl Lagerfeld

Elektronische Zuhörmusik, Tanz-Tracks und Schräg-Folk, derart gegen alle Regeln des Plattenauflegens gemixt, dass man gar nicht versteht, warum viele zu riechen glauben, dass die Platte eigentlich von Michel Gaubert kompiliert worden sei, dem musikalischen Direktor seiner Modenschauen. Darlings, die auf seinem Laufsteg spielten, hat Lagerfeld ja immer gehabt. Vive La Fête, Chicks On Speed, Cat Power, die er vor dem Mercer Hotel in New York unbekannterweise entdeckte, als sie auf den Koffern saß und exzellent rauchte, chérie!

Und weil er beweisen will, dass alles wahr ist, hat Lagerfeld eine Tüte mit CDs mitgebracht, die er sich vor Kurzem alle selbst gekauft hat: Low, CocoRosie, Patrick Wolf. Brillant, fehlerlos. Yoko-Ono-Remixe, den jungen Elektroniker Dominik Eulberg, die Dylan-Platte von Bryan Ferry, die er „wirklich schlecht“ findet. „Schauen Sie mal, wie ich das mit der Musik mache!“, sagt er keck, schwingt einen klitzekleinen Stoffkoffer auf den Tisch, rot mit Schweizer Flaggenkreuz. „Sind das nicht schöne Objekte?“ Im Köfferchen ein Gewühl aus fruchtfarbig glänzenden iPod Nanos. Der populärsten Schätzung nach besitzt Lagerfeld mehr als 70 Stück.

„Ich hasse es, wenn ich alleine bin, Stimmen im Haus zu haben“

„Zu Hause habe ich die auf einem großen silbernen Tablett.“ Stand nicht irgendwo, Louis Vuitton habe ihm persönlich einen iPod-Koffer angefertigt? „Ja, aber der ist nur für die klassische Musik! Sonst würde ich das ja durcheinanderbringen.“

Und wie laut macht er die laute Musik zu Hause? „Kommt drauf an. Nicht so laut, wenn ich im gleichen Zimmer bin. Sehr laut, wenn ich im anderen Zimmer bin. Aber nicht zu leise. Vor allem: Es muss auch noch die Telefone übertönen. Aber ich hab‘ die Klingeln alle sehr sehr schwach eingestellt. Ich hasse es, wenn ich alleine bin, Stimmen im Haus zu haben. Musik okay, Stimmen hasse ich. Ins Kino gehe ich gern, denn wenn man aus dem Kino kommt, lässt man das hinter sich. Aber wenn man sich eine Tragödie zu Hause anguckt, dann hat man das Gefühl: Das kommt wie so ein Unheil in Ihre Wohnung. Plötzlich wird die Stimmung davon beeinflusst, die Atmosphäre … das will ich nicht. Bei mir muss das so sein, wie ich mir das vorstelle.“

Man sieht die Augen zwar kaum, die Reißverschlüsschen an den Händen klatschen wieder auf den Tisch, schnippisch wie oft im Fernsehen ist Lagerfeld jedoch nicht, wenn er sich verhältnismäßig unbeobachtet fühlt. Hanseatischer Tratsch, Vernissage-Gemurmel. Oft kriegt er etwas ganz überraschend Zärtliches. Man kann sich vorstellen, wie Karl Lagerfeld, zu dem die Modebilder meistens in morgendlichen Halbschlaf-Visionen kommen, aus Streichhölzern etwas baut oder mit den Lederhänden einem verirrten Insekt hilft. Einmal bittet er darum, das Aufnahmegerät auszuschalten, und sagt etwas Freches über einen deutschen Schriftsteller. Ihn zu imitieren ist doof.

Karl Lagerfeld (L) mit Alexandre de Paris (R), 1983

„Da gibt es den berühmten Ausspruch von Goethe, den ich immer wieder raushole:, Es gibt nur ein ewig Neues, das sich aus den erweiterten Elementen der Vergangenheit gestaltet.‘ Das gilt auch für die Mode. Wissen Sie, man kann alle zehn Jahre das Gleiche mit veränderten Augen ansehen. Entscheidend ist nicht die Vergangenheit, sondern die Idee der Vergangenheit. Leute Ihrer Generation denken doch, die 50er-Jahre waren toll – das stimmt nicht. Nur das, was heute davon in den Zeitungen überlebt, ist toll. Die 50er-Jahre waren grauenhaft, unbequem und schmuddelig.“

Lagerfeld, Sohn des „Glücksklee“-Kondensmilch-Unternehmers, war als Teenager von Schleswig-Holstein nach Paris gegangen, wollte Illustrator werden, bekam nach einem ambitionslos gewonnenen Modewettbewerb 1955 bei Designer Pierre Balmain den ersten Job. Sein größter Coup war 1983 der Relaunch des Modelabels Chanel. Gründerin Coco Chanel hatte er selbst nie kennengelernt, und weil die Besitzer damals vor allem vom Parfüm lebten und die Couture-Linie vor der Schließung stand, durfte Lagerfeld machen, was er wollte. Seine Umdeutungen gewohnter Coco-Features, die selbstreflexiven Züge der Kollektionen, die Fantasie und auch die neue, extravagante Designer-Persönlichkeit setzten Chanel zurück ins Licht, rückten die Eigentümerbrüder Wertheimer in der „Forbes“-Liste weiter nach oben. Obwohl viele Lagerfelds Discount-Aktio-nen für die Kaufhäuser Quelle und H&M als leichtsinnige Rufschädigung sahen, haben sie sein Gesicht bloß noch viel beliebter gemacht.

„Das langweilt mich zu Tode. Will ich nicht sehen“

Wie er die letzten Schauen anderer Häuser fand? „Das langweilt mich zu Tode. Will ich nicht sehen.“ Und wenn die Kleider in den Zeitschriften auftauchen? Denkt er da manchmal: Der und der hat Schrott gemacht? „Ich bin kein Modekritiker! Nein, was Schrott ist, sehe ich nicht. Ich sehe nur das, was ich interessant finde.“ Aber das Uninteressante muss er doch sehen, um zu … „Nein. Das wird von den Augen nicht aufgenommen.“

Wie einem die Mode ein besseres oder disziplinierteres Leben diktieren kann, zeigte Lagerfeld durch seine Verpuppung. Die Gestalt von heute hat er 2001 durch eine Radikaldiät erreicht, nur weil er unbedingt in die spargeldünnen Anzüge von Hedi Slimane passen wollte. In der letztjährigen Diskussion über Magersucht im Modelgeschäft war der Junggehungerte natürlich fehl am Platz, kommentierte trotzdem, dass Fettleibigkeit ja wohl das größere Problem sei, und distanzierte sich von seiner deutschen H&M-Kollektion, weil gegen sein Wissen eine XL-Größe produziert worden war. Vor dem „müden Fleisch“ auf den Straßen kann Lagerfeld sich hochamüsant ekeln, vieles hätte er besser nicht gesagt oder gedacht.

Die Zeiten sollen ja düsterer geworden sein. „Sind sie auch. Aber zum Beispiel die Obsession um das Global Warming, das wird derart diabolisiert – das ist vielleicht nötig, aber irgendwie macht es die ganze Sache, wie alles politisch Korrekte, ein bisschen langweilig, ne? Das ist wie mit PETA und den Pelzen: Je rabiater die werden, desto mehr kriegen die Leute Lust auf Pelz. Alles wird jetzt verboten, Rauchen – in den 68er-Jahren, da stand im Mai überall in Paris:, Es ist verboten zu verbieten!‘ Das waren die gleichen Leute, die jetzt in seriösen Positionen kurz vor dem Ruhestand sind und den Finger heben und alles verbieten.“

Die nächsten Chanel-Schauen werden an einem Privatflughafen in Santa Monica spielen, wo die Models in Jets ankommen und das Publikum im Warteraum sitzt. Dann im Park von Saint-Cloud als lebendige Version des Gemäldes „La Fête à Saint-Cloud“ von Fragonard. Dann, im Oktober, die Sommerkollektion ganz im Dunkeln, weil sie letztes Mal so hell war. Bei der Haute Couture im Januar sollen die Mädchen aus einer 40 Meter hohen schneeweißen Chanel-Jacke herauskommen. Und was trotzdem komisch ist: Wenn er so sehr für ständigen Wandel ist – warum ist dann ausgerechnet sein eigener Trademark-Look seit vielen Jahren fast derselbe geblieben?

„Das ist kein Trademark – so bin ich. Ich bin immer das Gleiche, und immer das Gleiche ist eben nicht das Gleiche. Ich kann mir ja nicht einen anderen Kopf anschaffen, was soll ich machen? Ich bin eben so ’ne Art Charlie Chaplin geworden.“

Tage vergehen schnell bei den Ausführungen zur Kunst der Wiener Secession („Meine Sammlung habe ich wieder verkauft, da war so was Mortuäres drin, so ein bisschen Beerdigungsinstut“), Pete Doherty („Den find ich langsam furchtbar, der hat jetzt so ’n verschwommenes Gesicht, so ’n Babybauch, obwohl die Silhouette ganz fesch war“), Anti-Retro-Innenarchitektur („Ich mache mir gerade eine neue Wohnung, in der nichts älter als 2000 ist. Da muss man über Leichen gehen, die eigene inbegriffen!“) und Andy Warhol („Er brachte die Leute aus Voyeurismus auf die schiefe Bahn, das tue ich nicht“). Als Assistentin Caroline den Personalausgang der Libraire 7L aufschließt, dämmert längst der Ladenschluss über der Rue de Lille. Und bevor die Weisheiten und Antworten verloren gehen, für die wir hergefahren sind, erscheint auf dem Weg über die Seine in einer Gedankenblase noch mal der Kopf mit der Sonnenbrille und dem weißen Zopf und wiederholt die essenziellen Sätze der Philosophie des Karl Lagerfeld, von A bis B und zurück. Würde ihm nicht gefallen, wenn man das als absolute Weisheiten formuliert, aber – ich geb’s jetzt mal so weiter.

Karl Lagerfeld

Punkt eins. Karl Lagerfeld sagt: Man soll nicht ständig Angst davor haben, dass die eigene Unfähigkeit auffliegt. Er selbst hat kein Abitur, war auf keiner Kunstschule, hat nichts gelernt, und trotzdem ist alles ganz gut gegangen.

Punkt zwei. Karl Lagerfeld sagt: In manchen Fällen muss man darauf vertrauen, dass die eigene Vision die einzig richtige ist. „Das ist meine Devise im Leben: No second option!“

Punkt drei. Karl Lagerfeld sagt: Der Weg ist das Ziel. „Wenn man ans Ziel kommt, was macht man da? Da schaut man herum und dreht sich im Kreis. Man muss immer neue Wege finden, um neue Ziele zu erreichen. Ob die es wert sind oder nicht, spielt erst mal gar keine Rolle.“

Punkt vier. „Wissen Sie“, sagt Karl Lagerfeld, „Mode hat im Grunde nie deshalb gewonnen, weil sie bequem ist. Mode ist Mode. Solange etwas Mode ist, ist alles okay. Sie wird erst dann als unbequem betrachtet, wenn sie nicht mehr Mode ist. Wenn die Leute sie satthaben, fangen sie an, die Fehler zu finden. Die immer da waren. Aber auch das spielt keine Rolle.“

Am Ende heißt das: Man muss lernen, mit dem schrecklichen Knick in der Welt zu leben. Weil er in diesem Sommer eine so tolle Farbe hat. Andere Probleme hat Karl Lagerfeld auch nicht.

Die Story zur Story

Eine Freundin hatte dem Reporter eine Bitte mitgegeben: Könnte Karl Lagerfeld einen Hund für sie malen, informell, für die private Sammlung? Am Ende des Interviews gefragt, lehnte der Großdesigner jedoch ab. Spontan könne er das nicht, er würde die Zeichnung später anfertigen und nachschicken. Typische, nette Künstlerausrede, dachte der Journalist – bis eine Woche später der Postmann klingelte. MIt einem Umschlag aus Paris, von Lagerfeld. Darin ein handgemaltes Bild: ein Pinscher namens Karl.

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