Das Wunderkind
Der hochtalentierte britische Produzent James Blake ist der Mann der Stunde. Was ist das Besondere an seinem Soul-Dubstep-Gemisch?
Es ist keine drei Jahre her, dass James Blake sich das erste Mal mit dem Produzieren von Musik beschäftigte. Blake war 19 Jahre alt, ein Londoner Musik-Nerd mit Hochschulmeriten und guten Klavierkenntnissen. Tracks zu kompilieren, zu verfremden und neu zusammenzusetzen, das kannte Blake, weil er nebenher als DJ arbeitete. Seine eigenen Lieder sind alles andere als Samstagnachtwegwerfmusik, doch die Ästhetik des Unmittelbaren steckt in ihnen. „Mir fiel schnell auf, dass es ewig dauern würde, ein richtig guter Produzent zu werden“, sagt er. „Also versuchte ich gar nicht erst, perfekt zu sein. Ich fand Gefallen an Zufallsprodukten, Fehlern und Unvollkommenheiten. Da fing es an, Spaß zu machen.“
Blakes Art, mit analogen Synthies, Ambient-Beats und verfremdeten Stimmen seltsam minimalistische Lieder zwischen Electro und Soul zu machen, ist im UK momentan der letzte Schrei. Die BBC setzte ihn auf ihre Liste der wichtigsten Künstler für 2011, Radio 1 spielt seine Musik nach Kräften. Dabei hat Blake nach eigenen Aussagen mit Pop nicht viel am Hut. Während des Musikstudiums an der Goldsmiths University of London tauchte er in die Welt des Dubstep ein und hatte mitternächtliche Offenbarungen im Meer der gefilterten Beats und schwirrenden Synthesizer. „Der Club ist ein sehr ehrlicher Ort. Nichts bleibt, alles ist morgen früh wieder vergessen“, sagt er. Seltsam, dass Blakes Musik oft das Gegenteil einer wilden Clubnacht ausdrückt: Isolation, Verschwiegenheit, leise Intuition. Doch ist das ja eine Spannung der Adoleszenz – die große Energie auf der einen Seite, das Fremdsein auf der anderen.
Bisweilen geht Blake noch immer ins klassische Klavierkonzert. „All diese alten Männer sitzen da und warten auf eine Pause, um sich dann die Lunge aus dem Leib zu husten“, sagt er. „Klavierkonzerte können sehr aggressive Orte sein.“ Die Pause ist ein wichtiges Stilmittel für Blake. Viel Raum ist in seinen Liedern, in denen jedes Signal scharf geschnitten ist und oft vor allem eine Aufgabe hat: Platz machen.
„Ich bin besessen von Emotion“, erklärt er. „Ich will Dance Music produzieren, die die Menschen wirklich berührt, so wie die alten Soul-Alben berührt haben. Ich will, dass meine Musik zu den Menschen spricht wie ein Folksong, auf eine organische Weise. It’s the human touch I want.“ Den hat er.