Klänge eines vergangenen Amerikas
Auf „Smart Flesh“ setzen The Low Anthem dem „Man On Wire“ ein tönendes Denkmal.
So gelassen und entspannt, als wollte er ein Nickerchen halten, wirkt Philippe Petit in den Videoaufzeichnungen vom 7. August 1974. Sie zeigen den damals 25-Jährigen auf einem Drahtseil zwischen den zwei Türmen des World Trade Centers.
Auf seinem vierten Album,, ,Smart Flesh“, setzt das Folk-Quartett The Low Anthem dem „Man On Wire“ mit „Boeing 737“ ein dröhnendes Denkmal. Bass- und Snare-Drum stampfen lärmende Viertel, ein Schellenkranz scheppert blechern dazu, die Gitarren schrammlen, eine Trompete schwebt erhaben darüber. Oben, zwischen den Türmen, ist nichts als der Hauch von Freiheit zu hören – und doch kann man sich herunterschauend vorstellen, wie das Chaos einer amerikanischen Großstadt Mitte der 70er-Jahre wohl geklungen hat. Mit einem Fuß im Himmel stehen, nach den Sternen greifen: „Petite war mit seiner naiven, verspielten Art des Hochseiltanzes ein Held für mich“, erklärt Ben Knox Miller, Hauptsänger der Band.
Den natürlichen Hall der Aufnahmen verdankt das Quartett einer ehemaligen Spaghettisoßenfabrik. Ebenso wie Petits Drahltseilakt ist die Fabrikhalle Sinnbild eines vergangenen Amerikas. „Smart Flesh“ ist ein musikalisches Manifest für den Wunsch nach dem Wiedererlangen der amerikanischen Unschuld, The Low Anthem die Stimme einer jungen Generation, die Angst durch Verstand besiegen will.