Ein verrücktes Paar
„I Kissed A Girl“? Von wegen. Als die einst so querulantische Pop-Prinzessin ihre weiblichen Waffen auspackte, wurde sie plötzlich ziemlich prüde.
Was von Katy Perry im Jahresrückblick bleibt: ein nicht über die Maßen außergewöhnliches, dafür sehr detailliert betrachtetes Paar Brüste. Allgegenwärtig, zumeist nur halb verdeckt. Es blendete die sittenstrengen Augen des Elternpublikums der US-„Sesamstraße“, es drängte als Racheakt in der Show „Saturday Night Live“ umso ungeduldiger aus dem Ausschnitt heraus und musste in einer VH1-Anzeige für US-Soldaten nachwirkend verkleinert werden. Die digitale Brust-OP war allerdings das freiwillige Werk von Perrys PR-Strategen, die die Geschichte im Anschluss umso eiliger an die Presse gaben. Während Lady Gaga sich einen Penis umschnallte, verriet Perry verschämt kichernd, wie unwohl sie sich als Teenager mit ihrer Oberweite gefühlt habe – 50er-Jahre-Prüderie mischte sich hier in die gnadenlose Inszenierung der zwei weiblichen Waffen, die im Video zu „California Gurls“ den lüstern guckenden Snoop Dogg mit Schlagsahne befeuerten. Und aus der frechen Göre, die einst das Zeug zum rebellischen Antityp besaß, wurde ein sorgloses Pop-Pin-Up, eine Mischung aus Madonna und Dita Von Teese für Teenager, das sich alles erlauben kann, so lange es lieb schaut. Oder: eine junge Frau, die sich wie ein kleines Mädchen benimmt und dabei nackig macht. Selbst die harmlose Boulevardmeldung, Perry sei seit der Vermählung mit Russell Brand „sehr eng“ mit ihrer Schwiegermutter, klingt seither irgendwie schlüpfrig.