Spanischer Berliner Winter
Das schwäbisch-spanische Duo Laura López Castro & Don Philippe war bei den Aufnahmen zum neuen Album „Optativo“ der Suche nach einem neuen, originellen Sound – mit Erfolg.
Es gibt Sprachen, die öffnen sofort einen Assoziationsraum. Man hat Farben im Kopf und Musik, bestimmte Stimmungen und Klischees. Wenn man eine Spanierin zu Kastagnetten und Flamenco-Gitarre singen hört, ist sie rassig und heißblütig, wenn sie traurige Balladen singt, ist sie alt, schwermütig und weise. Naja, so ungefähr. Die Spanierin Laura López Castro ist im Schwäbischen aufgewachsen, sie singt aber in ihrer Muttersprache, setzt also auf die Resonanz in diesem Assoziationsraum – doch manchmal würde sie sich auch gern aus ihm befreien. „Wenn die Leute meine Lieder hören, denken sie, ich sei eine alte Frau. Und dann sehen sie mich, eine … nicht ganz so alte Frau mit kurz geschorenen Haaren und sind erst mal total überrascht.“ Die 30-Jährige spielt mit diesen Zuschreibungen, kommt bei Konzerten mit Kopftuch auf die Bühne und lüftet dann langsam ihre Identität.
Ein Urlaub in Mexiko entfachte vor ein paar Jahren ihre Liebe zum Spanischen neu. „Um ein bisschen Geld zu verdienen, habe ich dort zusammen mit einem Gitarristen auf der Straße Bossa-Nova-Stücke gesungen. Als ich zurückkam, schnappte ich mir all die Bücher, die mein Großvater hinterlassen hatte, und begann, mich mit spanischer Literatur auseinander zu setzen.“ Kurz darauf traf sie den Musiker und Produzenten Philippe Kayser, der als Don Philippe in den Neunzigern mit den Stuttgarter HipHoppern Freundeskreis ziemlich erfolgreich war. Die beiden freundeten sich an und begannen, ihre liebsten Jobim-Stücke nachzuspielen. Relativ bald schrieben sie dann auch gemeinsam Songs. 2006 erschien das erste Album des Duos, „Mi libro abierto“, ein Jahr später der Nachfolger „… Inventan el ser feliz“.
Alben, die durch Arrangements – akustische Gitarre, Kontrabass, Streicher – und Sound stark an die Sechziger angelehnt waren und oft in die Bossa-Nova-Schublade gesteckt wurden – obwohl das streng genommen falsch war. Das neue Werk „Optativo“ scheint eine Reaktion darauf zu sein – keine Streicher, stattdessen präparierte Pianos von Hauschka, Schlagzeug, Gitarre – und Geräusche, die Kayser mit seinem Aufnahmegerät in den Straßen Berlins gesammelt hat. Die Stadt spielt eine wichtige Rolle im Leben des Duos, das 2005 aus Stuttgart hergezogen ist. „,Optativo‘ ist in diesem langen dunklen letzten Winter entstanden“, erinnert sich Kayser. „Da lag eine seltsame Stimmung über der Stadt, die ich auch auf dem Album höre.“
Laura López Castro singt zu dieser geheimnisvoll schimmernden Musik von der Angst und der Liebe, der Nacht und dem Meer. „Ich habe diesmal versucht, sehr unplakativ zu schreiben“, sagt sie. „Hinter jedem Text steckt eine Geschichte, die ich erlebt habe. Ich habe zum Beispiel letztes Jahr in Spanien mit afrikanischen Flüchtlingen gesprochen, die mit dem Boot nach Europa übergesetzt sind. Aber wenn man den Text liest, kann man es auch auf ganz andere Dinge beziehen. Optativo – das ist die Möglichkeitsform in der griechischen Grammatik – es beschreibt Dinge, die zwischen den Zeilen geschrieben stehen.“ maik brüggemeyer