Replays
Duran Duran HHH
Duran Duran/
Seven And The Ragged Tiger
Zwei Teen-Pop-Alben aus den 80er-Jahren in Edel-Editionen
Am 27. Juni 1981 begannen die 80er-Jahre. Sogenannte Erwachsene ahnten wie immer nichts, doch die Mädchen wussten es genau: Mit Duran Duran – mehr noch als mit Adam Ant! – brach eine neue Ära an. Zum knackigen Schlagzeug und den geschickt gesetzten Gitarren-Licks von „Girls On Film“ waberten atmosphärische Sound-Schlieren, und auch „Planet Earth“ galoppierte auf einem seltsam entrückten, gleichsam fliegenden Sound-Teppich. Der Synthesizer hatte alles geändert, er synthetisierte auch Simon Le Bons Stimme. Der Begriff „Sänger“ stand nun nicht mehr nur für jemanden, der singt, sondern vor allem für jemanden, der einer Band vorsteht und gut aussieht: der „Frontmann“.
Duran Duran sahen sehr gut aus, und das Debüt „Duran Duran“ klingt noch immer ordentlich. Sie waren so eine Art frühe Blur, aber mehr für Girls als für Boys. „Is There Something I Should Know?“ war dann ein weiterer Smash-Hit, aber im Spätherbst 1983 brachte die Band das entsetzliche „The Reflex“ heraus und zu Weihnachten das Album mit dem verschwurbelten Titel „Seven And The Ragged Tiger“ („“): Zu viel Ornament und Bedeutsamkeit hatten den Pop ruiniert. Sogar damals spürte man, dass der Leichtsinn dahin war. Nur die Mädchen spürten es nicht. Für sie war es Liebe.
Die Komplett-Schatullen versammeln (neben Fotos!) je eine zusätzliche CD mit Singles und Mixes und eine DVD (es gibt auch eine schmalere Variante). Da ist wirklich alles drin. Die gesamten 80er-Jahre. (EMI) arne Willander
Cliff Richard HH1/2
Das Beste auf Deutsch
Skurril: Richards deutsche Schlagertexte zu seinen Gassenhauern
Ralph Maria Siegel war dabei, als Cliff den Rock’n’Roll nach Deutschland brachte. Wir hatten Peter Kraus und Conny Froboess und den Soldaten Elvis Presley, den Tirolerhut von Billy Mo und Chris „Pumpernickel“ Howland – nun kam der fesche Cliff Richard, sang „Bin verliebt“ und „Die Stimme der Liebe“, aus „Lucky Lips“ wurde 1963 „Rote Lippen soll man küssen“, Hank Marvins „On The Beach“ hieß 1964 „Nur mit dir“. Und 1965 übertrug Siegel „Wind Me Up“ ins Deutsche: „Nur bei dir bin ich zuhaus“. Noch 1968 hatte Cliff „Twist im Blut“, und bis in die 70er-Jahre hinein sülzte der jetzt langhaarige Unterhaltungskünstler derlei Unglaubliches wie „Kein Zug nach Gretna Green“, „Du, du gefällst mir so“, „Wenn du lachst, lacht das Glück“ und „Umbarella“ (nach „Annabella Umbrella“). 1971 verriet er: „Zum Heiraten bin ich kein Typ“.
Gott weiß, dass es stimmt. (EMI) arne Willander
John Cale HHHHH
Live 1983 & 1984
Doppel-CD und -DVD: Cale beim „Rockpalast“ in Essen & Bochum
Im März 1983 hatte John Cale sein Großwerk „Music For A New Society“ vorzustellen, das ihn nach dem konfusen „Honi Soit“ im Zenit seiner Kunst darstellte. So stapfte er in Lederhosen und mit großer Sonnenbrille auf die Bühne der Zeche Bochum, ein Überlebender der Sechziger und Siebziger, und spielte auf der Gitarre die guten alten Songs und ein paar neue. Cale äußerte sich sogar zu einigen Liedern, wechselte zum Piano, brachte „Waiting For The Man“ und „Heartbreak Hotel“, „Chinese Envoy“ und „Antarctica Starts Here“ und „Guts“, und manchmal schrie er ins Mikrofon, dass es kaum auszuhalten war. Für die kleine Reihe des „Rockpalast“ wurde das Solo-Konzert aufgenommen, heute sieht man vor allem Rot und Blau, viele Schnauzbärte im Publikum und einen Blödmann, der immerzu seinen Mittelfinger der Kamera entgegenstreckt, bis die sich abwendet. Unter den Milchbärten und paar Mädchen erkennt man niemanden, der nur annähernd so alt gewesen wäre wie der Künstler. Und doch hatte er ein Publikum. John Cale verbeugte sich artig; kam für „Close Watch“ auf die Bühne zurück und noch einmal für „Streets Of Laredo“. Es ist ein Lederhosen-, ein Desperado-Konzert, bewahrt für die Nachwelt.
Raubauziger, brutaler noch gab sich Cale im Herbst 1984 in der Grugahalle in Essen. Bei der großen „Rockpapalast“-Nacht trat er mit seiner Band nach den Windbeuteln Huey Lewis, Chalice und Level 42 auf; es war nach zwei Uhr morgens, die Ränge hatten sich geleert. Mit den jungen Leuten David Lichtenstein, Andy Heermans und David Young spielte der Berserker die monochromen Gothic-Songs von „Caribbean Sunset“, dem neuen Meisterwerk: „Magazines“, „Model Beirut Recital“, „The Hunt“. Dann bog er ab zu „Fear Is A Man’s Best Friend“, blökte ein paar Zeilen von „Heartbreak Hotel“, die zu „Paris 1919“ überleite-ten, und zerschmetterte dann alles in dem Zerstörungsreigen von „Waiting For The Man“, „Mercenaries (Ready For War)“ und „Pablo Picasso“, das schließlich in „Love Me Two Times“ kulminierte. Für „Close Watch“ kam Cale, verschwitzt und aufgelöst, noch einmal ans Piano zurück. Die Kamera folgte ihm dann bis in die Katakomben der alten Halle.
Das waren die Zeiten. Beide Konzerte gibt es nun auf Doppel-CD und zwei DVDs; auf Doppel-Vinyl in reduzierter Version. Ein erschütterndes Erlebnis. (MIG) arne Willander
Kris Kristofferson HHHH
The Publishing Demos 1968-72
Skelettierte Vorstudien zu den berühmten Songs der Phase
Der Legende zufolge musste Muddy Waters mal den Boden der Chess-Studios schrubben, weil die Firma anscheinend in der Sache keinen professionellen Service in Anspruch nehmen mochte. Auf eine vergleichbare Karriere hoffte der talentierte Songschreiber Kris Kristofferson noch, als er einen Job als Pförtner bei den Columbia-Studios in Nashville ergatterte. Niemand ahnte, dass mal Dutzende prominenter Kollegen sein Liedgut so famos finden würden, dass er allein von den Song-Tantiemen würde leben können. Wie Bob Dylan zuvor nahm er für seinen Verlag zunächst Demos auf – auch dann noch, als er mit „The Silver-Ton- gued Devil And I“ schon in den Top 20 der Hitparade angekommen war.
In einem vergleichbar kreativen Rausch wie Dylan flogen Kris Kristofferson die Songs wohl nicht zu. In den Dutzenden Seiten Liner Notes dieser edel aufgemachten Edition ist nachzulesen, dass ihn zu „Me And Bobby McGee“ auch Fellinis „La Strada“ inspirierte. Den Titel hatte Verleger Fred Foster vorgeschlagen. Die Idee, dass es sich bei „Me And Bobby McKee“ (sic!) um sympathische, freiheitsliebende Vagabunden handeln könnte, stammte auch von ihm. Weshalb er Foster 50 Prozent am Copyright einräumte. Was wiederum seinen Mentor Johnny Cash zu der Warnung veranlasste: „Das wirst du in ein paar Jahren noch bedauern!“ Als ein Stück Autobiografie betrachtet Kristofferson diesen Ohrwurm: Er selbst habe damals auch nichts zu verlieren gehabt.
Sein Verleger war begeistert, als er hörte, was Kris und Billy Swan da in einer die ganze Nacht dauernden Session am Ende auf Band gesichert hatten. Das Pathos des Songs gefiel umgehend auch Dennis Hopper so sehr, dass er ihn für den Soundtrack von „The Last Movie“ auswählte. Verlierer und trostlos endende Liebesbeziehungen faszinierten Kristofferson so weit, dass er sie immer wieder thematisierte. Auch bei den Demos hier investierte Kristofferson mindestens soviel Gefühl in seinen Vortrag wie bei späteren Studio-Sessions. Junkie Billy Dee im gleichnamigen Song war einer seiner klassischen Verlierer, und in seinem Nachruf auf Janis Joplin „Epitaph (Black And Blue)“ war er überzeugt, dass es keinen Zweck habe, jetzt zu heulen.
Die fabelhaften Liner Notes erzählen auch ein wenig von anderen Jungspunden – Stephen Bruton und T Bone Burnett nämlich -, die damals ebenfalls noch am Anfang ihrer Karriere standen. Nur höchstes Lob hat schließlich der für diese Edition interviewte Patron Merle Haggard für den Kollegen übrig. Über den jungen Kris Kristofferson sagt er schlicht: „He was Nashville’s Own Hippie, ya know?“ (Light In The Attic/Cargo) Franz Schöler
Grateful Dead HHH
Crimson, White & Indigo:
Philadelphia, July 7, 1989
Nicht immer ein Ereignis: die späten Gniedel-Jamborees
Die Behauptung, neben den aus dem Jahr 1989 veröffentlichten Grateful- Dead-Konzerten sei auch dieses auf drei CDs und DVD komplett vorgelegte annähernd essential listening, wäre mehr als vermessen. Die Tatsache, dass die Shows der späten Jahre in viel avancierterer Technik aufgezeichnet wurden als manche frühen berühmten aus der „Dick’s Picks“-Serie, heißt ja nicht, dass die Band auf konstantem Niveau musizierte. Auch in der Dramaturgie gestattete man sich bei der Setlist manche merkwürdigen Durchhänger – ganz klar etwa Konzession an Keyboard-Mann Brent Mydland, der sich mit eigenem Liedgut gewürdigt wissen wollte. Letzteren gut zwölf Minuten „Blow Away“ vortragen zu lassen und auf „Touch Of Grey“ genauso zu verzichten wie auf Evergreens der frühen Jahre, mag man als mutig empfinden. Wieso die Band ausgerechnet „Box Of Rain“ vom großen Album „American Beauty“ an dem Abend zu Beginn des zweiten Sets in eher unterwältigender Form musizierte (der Sänger ringt tatsächlich ein wenig um die richtigen Noten), ist trotzdem rätselhaft. Von perfekter Harmonie kann bei den Refrains dieses so oft gespielten Songs auch keine Rede sein.
Klappern mag zum Geschäft gehören. Aber die Liner Notes behaupten allen Ernstes, besagte Komplett-Sets von 1989 „capture the group at a creative peak that rivals any that came before it“. Was auch für diese Show vom 7. Juli gelte, aber vom zweiten Set des Auftritts wirklich nicht behauptet werden kann. Das endet routiniert abgespult mit einer ganz netten Deutung von „Knockin‘ On Heaven’s Door“ – eine Zugabe mit einem ziemlich gefühlvoll singenden Garcia, die man auch als prophetisch betrachten kann.
In gewohnter Form spielte die Band immerhin das erste Set, „Iko Iko“ und die Geschichte vom „Little Red Rooster“ in neuer Kenntlichkeit ziemlich episch und mit altmodischem Gitarrenhelden-Pathos, den Willie-Dixon-Evergreen fast zehn Minuten extemporiert. Danach lassen „Ramble On Rose“, „Loser“ und vor allem „Let It Grow“ auf einen großen zweiten Konzert-Teil hoffen. Nicht zuletzt, weil die Dylan-Hommage zwischendurch mit „Stuck Inside Of Mobile With The Memphis Blues Again“ Dead-like gut geraten war, Garcia auch hier in Top-Form. Zu solchen Höhen mochte man sich nach der Pause nicht mehr aufschwingen. (Rhino) Franz Schöler
Moby Grape HHHH
Live
Fast besser als im Studio: Mitschnitte der legendären Band
Dass von den West- Coast-Bands der 60er-Jahre zumal die aus der Bay Area live um einiges weniger gehemmt musizierten als bei ihren Studio-Debüts, monierten gestrenge Kritiker auch im Fall von Quicksilver Messenger Service. Warner Bros. (im Fall von Grateful Dead) und Columbia (mit Big Brother & The Holding Company unter Vertrag) waren so klug, alsbald Live-Mitschnitte nachzureichen, um so Fans und Kritiker zu besänftigen.
Um den unglückseligen Hype rund um das Erstlingswerk von Moby Grape vergessen zu machen, hätte Columbia auch von dieser San-Francisco- Truppe wohl besser einen großen Konzert-Mitschnitt anstelle der Doppel-LP „Wow“ nachgelegt. Denn dieses Quintett hatte sich nicht nur in noch kürzerer Zeit ein denkwürdiges Bühnen-Repertoire erarbeitet als besagte Konkurrenz. Sie hatten es damit auch zu einer phänomenalen Live-Präsenz gebracht. Anders als bei Jefferson Airplane oder Big Brother waren nicht die Sänger die Stars, sondern die Band. Wovon man sich jetzt bei diesen Archiv-Ausgrabungen überzeugen kann.
Alexander „Skip“ Spence nahm hier nur scheinbar dieselbe Rolle ein wie wenig später Syd Barrett bei „seiner“ Band. Hier herrschte mehr sofort eine kreative Arbeitsteilung. Skips Domäne – die melancholischen, manchmal auch schlechte Erfahrungen mit chemischen Substanzen reflektierenden Songs – bildeten einen scharfen Kontrast zu der Fusion aus Garage, Soul, Country, Blues und perfekt ausgetüftelten Vokalharmonien, auf die sich Jerry Miller, Bob Mosley und Peter Lewis allein oder auch gemeinsam schreibend so gut verstanden. Die wenigen als Zugaben erschienenen Konzertdokumente vermittelten zumindest eine Ahnung von den Live-Qualitäten der Band. Wie souverän die fünf schon nach wenigen Monaten Proben harmonierten, demonstrieren Mitschnitte aus dem Avalon Ballrom, bei denen „Rounder“ und „Looper“ (für das Debüt nicht berücksichtigt) noch fest zum Repertoire gehörten. Das kostbarste Fundstück hier ist das zwei Jahre zuvor von Skip Spence komponierte und hier erstmals auftauchende „Dark Magic“, ein gut 17 Minuten langer Psycho-Trip in Bootleg- Qualität.
So viel improvisierten Raga-Rock fand Spence auch nach „Tomorrow Never Knows“ wohl zu unkommer- ziell für die von ihm streng gegängelte Band. Beim Monterey Pop Festival 1967 musizierten Moby Grape beim kurzen Set vier der hier erstmals auftauchenden Songs so, dass Clive Davis von dieser Gruppe viel erwarten durfte. Skips „Omaha“ musizierten sie im Verlauf eines Auftritts bei einem holländischen Sender, da zum (sehr melodieseligen) Country- Rock-Quartett geschrumpft. (Sundazed) Franz Schöler
Buddy Holly HHHHH
The Complete Studio Recordings And More
Alles und noch viel mehr: das Gesamtwerk im Bildband-Format
Das hätte sich Les Paul wohl kaum träumen lassen, dass er für die von ihm popularisierte Praxis des Overdubbing so viel Kritik ernten würde, als sich Phil Spector zu eben diesem Zweck an die Bänder von „Let It Be“ machte. Der andere renommierte Produzent, der sich von Fans deswegen vorher schon wüsten Schimpf einhandelte, war Norman Petty gewesen. Der hatte sich die Freiheit herausgenommen, etliche der frühen von ihm nicht fertig produzierten, aber auch nachgelassene – später als „Apartment Tapes“ bekannte – Heim-Aufnahmen mit Unterstützung des von ihm angeheuerten Quartetts The Fireballs kommerziell ganz schön clever nachzuproduzieren.
Die Resultate veröffentlichte das Coral-Label im Lauf der 60er-Jahre in gemessenen Abständen auf den LPs „Reminiscing“, „Showcase“, „Holly In The Hills“ und „Giant“. Die ersten beiden schossen 1962/63 in England sofort auf Platz 2 bzw. 3 der LP-Hitparade, die anderen beiden kamen dort 1965 bzw. 1969 „nur“ noch auf Platz 13. Petty hatte so gesehen also vollkommen recht, als er die Fireballs 1968 ein letztes Mal ins Studio bat, damit die eine zeitgemäße Begleitung zu Buddy-Holly-Aufnahmen von „Slippin‘ And Slidin'“, „Love Is Strange“, „Good Rockin‘ Tonight“ und Bo Diddleys „(Ummm, Oh Yeah) Dearest“ musizieren konnten. Kein Fan möchte die heute missen, schon gar nicht die hinreißenden Interpretationen von „Brown-Eyed Handsome Man“ und „Bo Diddley“, mit denen der den bewunderten Kollegen seine Ehrerbietung bezeugte. Weshalb man Archie Bleyer wegen seiner Overdubs bei den Everly Brothers-Produktionen nicht in demselben Sinne verdammte, hat wohl damit zu tun, dass Petty seine zum einen posthum und vor allem nicht mit tatkräftiger Hilfe der Crickets produzierte. Die hätten – zu der Zeit in England auch längst Legende – in jedem Fall für eine gewisse Authentizität gebürgt.
Die Overdub-Versionen der besagten LPs findet man hier so komplett wie auf der ersten CD die Country-Aufnahmen mit Bob Montgomery, mit denen Holly zwischen 1952 und 1955 seine zunächst sehr holprige professionelle Karriere begann. Sogar die letztes Jahr auf der „Down The Line“-Kollektion erstmals erschienene, daheim mit eigener Familie aufgenommene Version von Hank Snows „My Two-Timin‘ Woman“ fehlt nicht. Auf die frühesten, von Azetaten transferierten Aufnahmen wollte man trotz Lo-Fi-Klang nicht verzichten, obwohl es sich strenggenommen nicht immer um Studioeinspielungen handelt. Die auch von Fans aus vielen Ländern angebotenen Live-Mitschnitte mochte man nicht mit aufnehmen – vielleicht auch, um die in Sachen Buddy Holly seit langem eifrigen Bootlegger nicht ganz arbeitslos zu machen.
Wer nach der „Memorial Collection“ und dem „Rarities“-Set schon alle Hoffnung hatte fahren lassen, sieht sich jetzt also angenehm enttäuscht: Der für das Projekt verantwortliche Andy McKaie ließ offenbar alle leidigen juristischen Querelen und Fragen so weit klären, dass Buddy Hollys Gesamtwerk – wie das der Kollegen Elvis Presley, Gene Vincent, Johnny Cash und Everly Brothers zuvor – jetzt auch endlich vorliegt.
Die ganzen zwischen Juli 1956 und Oktober 1958 – also in nicht einmal zweieinhalb Jahren! – entstandenen Aufnahmen mit den Crickets und „solo“ (sprich mit ad hoc engagierten Begleitbands) sind streng chronologisch überspielt, gefolgt von den New Yorker „Apartment Tapes“ und den fast fünf Dutzend Overdub-Versionen. Als Best-Of-Kondensat dürften die drei CDs der „Memorial Collection“ jedem normalsterblichen Buddy-Holly-Fan zweifellos den ausreichenden Überblick über das Schaffen des vielbewunderten Songschreibers bieten. Für das exzellente Remastering dort zeichnete ebenfalls Erick Labson verantwortlich. Für die Fan-Gemeinde aber dürfte diese Gesamt-Box mit den 203 Aufnahmen und den profunden Liner Notes von Bill Dahl nichts weniger als der heilige Gral sein, auf den man seit dem Vinyl-Box-Set von 1979 hoffte. (Universal) Franz Schöler
The Plimsouls HHH1/2
Live! Beg, Borrow & Steal
Amerikanischer Garagen-Rock in (vorzeitiger) Vollendung
Der Stoff, aus dem Legenden gemacht werden, locker so faszinierend wie die frühen, auf den Deluxe-Editionen von „Murmur“ und „Reckoning“ nachgereichten R.E.M.-Konzerte: die Plimsouls aus Los Angeles, die es mit einem begnadeten Songschreiber wie Peter Case zu demselben Star-Status hätten bringen müssen, es aber im Gegensatz zu den Kollegen aus Athens nicht über den eines Geheimtipps hinaus schafften. Und das, obwohl sie von Discjockeys in der eigenen Stadt protegiert wurden und in den Clubs für ihre fabelhaften Konzerte bekannt waren, dort gern als „L.A.’s finest“ angekündigt.
Niemand wäre bei diesen Auftritten je auf die Idee kommen, dass Case mal zu einem feinsinnigen Songpoeten mutieren und auf Folk-Wurzeln regredieren würde. Ihren Power-Pop trugen die Plimsouls mit richtigem Punk-Furor vor. Die frühe Kinks-Hymne „Come On Now“ gehörte zum festen Bühnen-Repertoire, diverse Bo-Diddley- und Little-Richard-Evergreens auch. Leadgitarrist Eddie Muñoz hatte einen so absolut eigenwilligen Sound entwickelt wie Roger McGuinn 1965/66 für die Byrds, manchmal nicht ganz unähnlich den Acid-Rock-Exkursionen von Quicksilver Messenger Service 14 Jahre vorher, dabei mehr bluesig geerdet als psychedelisch abhebend. Zwischendurch hatte das alles auch beträchtlichen Retro-Charme, wenn die Band mit frühem Marvin Gaye und den Who von „Run Run Run“ flirtete. Garage klang selten vielfältiger inspiriert als bei Plimsouls-Konzerten. Aber als nach vielen Tourneen auch das zweite von Geffen veröffentlichte Album „Everywhere At Once“ keine nennenswerte Resonanz fand, löste Peter Case „seine“ Band auf. Fünf Jahre später erschien das 1981 mitgeschnittene „One Night In America“ – und wurde zum gesuchten Kult-Teil. Weil an demselben wohl niemand Rechte anmelden konnte, ist es seit 1988 in immer neuen Ausgaben veröffentlicht worden. Mit dem Ergebnis, dass sich die Band auch immer wieder zu Reunion-Konzerten zusammenfand.
Wenn nun die Bänder vom Halloween-Abend 1981 auf „Live! Beg, Borrow & Steal“ auftauchen, dann weil der Auftritt im Whisky A Go-Go mitgeschnitten wurde. Im Repertoire hatten die Plimsouls da schon etliche der besten Songs, die erst auf der zweiten LP erscheinen sollten. Mit Case in großer, Muñoz in brillanter Form und einer perfekt eingespielten Band ist das die Variante von official bootleg, die den Ruf einer Band nicht beschädigt, sondern die sie umgebenden Legenden nachdrück- lich bestätigt. (Alive/Cargo) Franz Schöler