Mister Dax
Der Broker und Finanzexperte Dirk Müller über seine Liebe zu "Wall Street" und den Stand an der Frankfurter Börse.
Ich habe „Wall Street“ Mitte der Achtziger im Kino gesehen. Ich stand kurz vor dem Abitur. Nach dem Film war für mich klar: Ich will unbedingt an die Börse, egal wie. Bud Fox hat mich komischerweise von Anfang an mehr fasziniert als Gordon Gekko. Wie er hin- und hergerissen war zwischen der Faszination des Geldes und des Luxuslebens auf der einen und der Ethik und Moral, die sein Vater verkörperte, auf der anderen Seite. Genau in diesem Zwiespalt habe ich mich auch eine Weile gesehen und konnte mich mit der Figur daher sehr gut identifizieren. Mein Vater ist der gleiche Typ wie der von Bud. Ein extrem bodenständiger, bis aufs Blut ehrlicher Mensch.
Nachdem ich den Trailer zu „Wall Street 2“ gesehen hatte, habe ich mir den ersten Teil noch einmal angeschaut. Da ist mir wieder eingefallen, dass ich tatsächlich zu Beginn meiner Arbeit in Frankfurt einmal einen Teil von Bud Fox‘ Apartment in meiner eigenen Wohnung aus dem Gedächtnis nachgebaut habe. So eine aufgerissene Wand mit Backsteinen. Ich kann selbst manchmal nicht glaube, wie viele Parallelen ist zwischen uns gibt.
Wegen meiner Faszination für „Wall Street“ habe ich mir nach der Schule einen Job bei einer Bank gesucht, die eine Börsenabteilung hatte. Und davon gab es bei uns in Mannheim, wo ich aufgewachsen bin, nur zwei. Eine davon die Deutsche Bank. Schon beim Einstellungsgespräch habe ich gesagt: „Für mich kommt nichts anderes als die Börsenabteilung in Frage.“ Die haben natürlich erst mal gelacht. Aber ich habe eine ähnliche Hartnäckigkeit an den Tag gelegt wie Bud Fox, der immer im Büro von Gordon Gekko angerufen hat, bis der endlich durchgelassen wurde. Meine Begeisterung für das Metier führte irgendwann dazu, dass mich ein Kollege fragte: „Hast du Lust, ans Frankfurter Parkett zu gehen? Ich mache dir einen Kontakt.“ Und so kam es dann auch.
An dem Tag, an dem ich die Zusage hatte, nach Frankfurt zu gehen, bin ich in Mannheim in einen Laden und habe mir ganz hochwertige rote Hosenträger gekauft – richtig teure, mit einem Knopf zum An-die-Hose-Nähen. Ich hab sie aber nie getragen, denn ich wäre der Einzige gewesen, der am Parkett Hosenträger getragen hätte.
Ich hatte ja keine Ahnung, was mich dort erwartete. Ich kannte die Bilder aus dem Film und hatte ein bisschen Angst vor dem exzessives Leben, das da vorgeführt wurde. Offen gestanden, war ich sehr erleichtert, dass diese Börsenwelt in Frankfurt doch weit weniger Glamour hat. Im Moment sind die Gesichter vieler Broker natürlich mit Sorgen erfüllt, weil der klassische Parketthandel 2012 eingestellt wird. Viele werden ihre Jobs verlieren.
Was Gordon Gekko in „Wall Street“ macht, hat mit dem Parketthandel allerdings nichts zu tun. Das ist eher mit Investment Banking oder Hedgefonds vergleichbar. Bud Fox und seine Kollegen arbeiten als Freimakler. Sie sitzen am Telefon und versuchen, Kunden zu überzeugen, mit ihnen Geschäfte zu machen. Sie vermitteln zum Beispiel Wertpapiergeschäfte zwischen Banken. Bei so einer Firma habe ich auch mal gearbeitet, deshalb kenne ich dieses Geschäft recht gut. Diese Typen, die in „Wall Street“ auftauchen, habe ich in meinen 20 Jahren in der Finanzwelt tatsächlich kennengelernt: Gordon Gekko, Bud Fox, den älteren Broker, der die Ethik hochhält, auch diesen durchgedrehten Kollegen von Fox. Auch dieses gegenseitige Abklatschen, wenn ein Deal perfekt ist, habe ich öfter gesehen. Aber das ist ein sehr kleiner Teil der Finanzwelt, man kann das nicht auf das ganze Metier übertragen. Am Selbstverständnis der Börsenleute hat sich in den letzten Jahren nicht viel geändert. Die Finanzkrise war natürlich ein großer Schock für alle, aber im Moment geht’s genauso weiter wie zuvor. Es steht zu befürchten, dass wir das Schlimmste noch nicht durchstanden haben. Wir hatten im letzten Jahr sehr viel Optimismus in den Märkten. Aber die harten Zahlen aus der Wirtschaft sind immer noch katastrophal schlecht. Wir haben den Absturz gestoppt, das ist klar. Eine ganz leichte Bodenbildung haben wir festgestellt. Aber die haben wir mit unglaublichen Summen hunderten von Milliarden, wenn nicht Billionen weltweit erkauft. Die Frage ist, ob wir, wenn diese Geldsummen irgendwann ausbleiben, es tatsächlich geschafft haben, den Motor wieder anzuwerfen. Läuft das Auto wieder rund oder säuft es ab? Dann kommen wir wirklich in Schwierigkeiten. Es ist noch nicht ausgemacht, wie das in den nächsten 24 Monaten weitergeht. Es ist möglich, dass der Motor anspringt und wir noch ein paar Jahre gewinnen. Die Probleme haben wir aber noch nicht mal in Ansätzen gelöst. Ja, wir sind sie noch gar nicht angegangen.