Portishead: Comeback der Gegenwart
Portishead kehren elf Jahre nach ihrem letzten Studioalbum mit einem Meisterwerk zurück.
Wie gut, dass es das immer noch gibt: Alben, die einen staunen lassen wie ein Kind. Künstler, die sich nicht prostituieren, sondern entziehen und dabei umso mehr entzücken. Wer will denn die ganzen banalen Fakten und Studiogeschichten wirklich wissen? Schenkt uns entweder schöne Lügen oder ein Cover, so karg und abweisend wie das von „Third“.
Jahrelang raunte die zuständige Plattenfirma von einer Rückkehr der Band Portishead. Doch man hatte nie daran geglaubt, oder – schlimmer noch! – befürchtet, die Musiker würden den alten Zauber für eine Handvoll Euros verhökern. Wir Kleingeister! „We Carry On“ heißt passend der Höhepunkt dieses an Höhepunkten so reichen Werks. Ein fieser Dauerton und ein vitales Pulsieren allein tragen die Stimme von Beth Gibbons. Ein Folksong des 21. Jahrhunderts, in den irgendwann die Gitarre von Adrian Utley fährt, als wäre es ein Stück von Joy Division: majestätisch groß, aber beladen mit der Schuld der gesamten Menschheit. Ein Mantra, ein Trance-Song, der immer weiter will, einfach nicht stoppen kann. Nein, das war nicht bloß ein Update von „Dummy“ , dem noch besseren Nachfolger „Portishead“ und dem Sound der mittleren Neunziger. TripHop ist bei Portishead 14 Jahre später nur noch eine verblassende Erinnerung, ein Einfluss unter vielen. Am radikalsten zeigt das „Machine Gun“, von dem wohl in jeder ernst zunehmen den Kritik des Albums zu lesen war. Die martialischen Klänge, vor denen sich die Stimme der Sängerin erhebt, das Zitat von Kraftwerks „Boing-Boom-Tschak“ im Mittelteil, die billige Trashfilm-Fanfare am Ende – zusammen ergibt das ein Statement zur Gegenwart, wie man es sich von guter Popmusik im Idealfall wünscht.
Geoff Barrow, Beth Gibbons und Adrian Utley einigten sich vor dem Beginn der Produktion darauf, keine Sounds und Stilmittel zu verwenden, die in früheren Alben verwendet wurden – bis auf die markante Stimme. „Third“ klingt deshalb wie nichts anderes auf der Welt, nicht einmal wie ein Portishead-Album.
Doch der amerikanische Songwriter Randy Newman war den Briten in den Kritiker-Charts des ROLLING STONE haarscharf auf den Fersen. Sein Album „Harps AndAngels“ belegte 2008 den zweiten Platz, mit listigen und beschwingten Überlegungen zum Elend des Alterns oder zum bitteren Ende des amerikanischen Imperiums. Gelungene Alben kamen auch von Elvis Costello {„Momofuku“), Robert Forster („The Evangelist“), TV On The Radio („Dear Science“) und den Felice Brothers. Dazu gab es viele beeindruckende Newcomer wie etwa die Fleet Foxes, MGMT und der deutsche Songwriter und Redaktions-Liebling Gisbert zu Knyphausen. Ein wenig umstritten sind inzwischen Vampire Weekend, bei denen man sich heute fragt, wo genau da eigentlich der Afrobeat versteckt war.
Foals, Santogold, Baby Dee, Flying Lotus und Hercules & Love Affair (mit Antony Hegarty) haben es zwar 2006 noch nicht in die Top 25 der Kritiker-Charts geschafft, trotzdem freuen wir uns schon jetzt auf neue Alben dieser vielversprechenden Bands und Künstler.