Conor Oberst
Das neue Jahrtausend ging mit einem Knall los, aber es war kein erfreulicher. Die Dotcom-Blase platzte, aufstrebende Internetkarrieristen hatten plötzlich keinen Arbeitsplatz mehr, die Börse wurde zu einem. Brachfeld. Es gab aber auch kleine Zeichen, dass man doch noch einiges erwarten durfte von den nächsten Jahren. So saß zum Beispiel in Omaha, Nebraska ein junger Mann namens Conor Oberst. Er war gerade mal20, machte aber schon seit sieben Jahren Musik. Zunächst nahm er noch allein auf, mit seinem kleinen Kassettenrecorder. Dann gründete er ein Label, vorsichtshalber, und schließlich eine Band, Bright Eyes. Das Debüt „Letting Off The Happiness“ ließ 1998 nur wenige aufhorchen, erst 2000 war es dann soweit: Mit „Fevers And Mirrors“ schickte sich Conor Oberst an, die Welt zu erobern.
Ein eher riskantes Unterfangen: Der schmächtige Mann mit der schwindsüchtigen Gesichtsfarbe und den strähnigen Haaren sah nicht gerade wie ein Rockstar fürs neue Millennium aus. Die Songs von „Fevers And Mirrors“ und dem späteren Großwerk „Lifted Or The Story Is In The Soil, Keep Your Ear To The Gronnd“ (2002) verdankten sich ja auch einer älteren Tradition: den Appalachian Songs der Großväter, dem Märchen, dem Bänkel- und Kirmesgesang. Das Überdrehte und Kirre von Obersts frühen Liedern erinnerte an ein Rumpelstilzchen, das die bösen Geschichten der Brüder Grimm als Ringelreihen vorträgt. Die Welt der Bright Eyes war bereits durch den Exzess mit Alkohol und Drogen, durch Angst und Depression verdunkelt – aber auch gereinigt. Für die Pop-Karriere hat es dann doch nicht gereicht – aber man könnte wohl auch sagen: Conor Oberst hat es gereicht. Bei der Tournee für den Präsidentschaftsbewerber John Kerry 2004 beobachtete er jeden Abend Bruce Springsteen auf der Bühne – und dachte daran, dass Springsteens Karriere seit mehr als 30 Jahren währte. Ihm wurde schwindelig.
In seiner Arbeitswut und der nicht zu bremsenden Kreativität erinnert Oberst an den anderen großen Songwriter seiner Generation: Ryan Adams. Der schwankt auch zwischen Band und Soloaufnahmen hin und her, zwischen Rausch und Vernunft, großer Kunst und eher kleinen Erfolgen. Beide haben sich selbst entschieden für den schiefen Weg, fernab vom Mainstream – auch wenn Oberst später gern vorgeworfen wurde, er wäre nicht mehr so wild wie früher, seine
Auftritte nicht mehr so zerschossen und unberechenbar. Er war einfach häufiger nüchtern.
Adams ging vielleicht zwischendurch mit Winona Ryder aus, aber der Rest des sogenannten Showbusiness war ihm eher fremd. Er hat einmal behauptet, man hätte ihm das Ticket zum Superstardasein angeboten, aber er musste es leider ablehnen, weil es mit zu vielen Kompromissen verbunden war. Oberst und Adams – sie schlagen sich lieber weiter so durch. Die Zeiten, als College-Nerds wie R.E.M. vom amerikanischen Rolling Stone zur besten Band der Welt ernannt und Radiohead mit gar nicht massenkompatiblen Liedern zu Festival-Headlinern bestimmt wurden, sind wohl endgültig vorbei. Die kränkelnde Musikindustrie hat keine Zeit mehr für außergewöhnliche Werdegänge, auf den ganz großen Durchbruch warten zumindest diese beiden Songschreiber gar nicht mehr. ,Id rather be working for a paycheck/ Than waiting to win the lottery“, sang Oberst ein paar Jahre später. Es ging zwar um die Liebe, passt aber auch auf diese Karriere.