Der Mann aus dem Wandschrank
Der multitalentierte Wahlwiener Tex Rubinowitz hat seinen ersten Roman geschrieben. Die Hauptrolle spielt ein altbekannter Popliterat.
Letztes Jahr musste sich Tex Rubinowitz einmal die Woche in einem Wandschrank verstecken. Jeden Donnerstag, wenn ORF 1 die Late-Night-Show „Willkommen Österreich“ aufzeichnete, spielte er den Psychopathen Frank Baumann. Die Moderatoren Christoph Grissemann und Dirk Sternmann lockten ihn dann mit Musik und Tänzen aus seinem Versteck, damit er den Gästen bizarre Fragen stellen konnte: „Von Charlotte Röche wollte ich wissen, ob es möglich sei, dass – wenn sie den Mund voller Milch hat und presst – eine Fontäne aus ihrem Piercing-Löchlein auf der Oberlippe kommt.“ So etwas könnten nun wirklich nur Männer fragen, konterte „Feuchtgebiete“-Autorin. Die Möglichkeit einer Piercing-Fontäne im Gesicht von Charlotte Röche findet sich auch in „Ramses Müller“ (Eichborn, 16,95 Euro), dem haarsträubend komischen Debütroman von Tex Rubinowitz.
Der 1961 in Lüneburg als Dirk Wesenberg geborene und seit 1984 in Wien lebende Autor ist eine bemerkenswerte Mischung aus kreativem Multitalent und exzentrischem Spinner. Robert Gernhardt holte ihn einst zur „Titanic“, später auch zum Haffmanns-Verlag. In Richard Linklaters „Before Sunrise“ war er Gelegenheitsschauspieler, mit der Band Mäuse produziert er dadaistischen Electro-Pop. Ach ja, und 10 000 Witze hat Tex Rubinowitz auch noch gezeichnet, für Tageszeitungen und die „Titanic“, in einem ganz eigenen, unverwechselbar krakeligen Stil.
„Ramses Müller“ ist eine Art Meta-Pop-Roman und handelt vom fortschreitenden Kontrollverlust der Protagonisten, die alle in ein absurdes künstlerisches Projekt verwickelt sind – zum Teil, ohne es überhaupt zu wissen. Der Leser wird dabei durch ein recht surreales Berlin-Mitte gejagt. Die Hauptrolle in diesem mit drastischen Momenten und literarischen Anspielungen reich bestückten Roman spielt der Autor Benjamin von Stuckrad-Barre, der sich zeitweilig als verschollener Enkel von Heiner Müller ausgibt: „Ursprünglich sollte ,Ramses Müller‘ eine Art Mockumentary werden, also eine filmische Fake-Dokumentation“, behauptet Rubinowitz, der den leibhaftigen Stuckrad in der Hauptrolle besetzten wollte. Doch der fand keinen Gefallen daran, sich in einer Low-Budget-Produktion selbst zu spielen. Man war sich ja ohnehin nur ein einziges mal begegnet, während einer Aufzeichnung von „Willkommen Österreich“.
Doch Rubinowitz wollte seinen Plan nicht aufgeben, höchstens das Format wechseln: „Ich bin dann letzten Sommer in das Pensionistenparadies Meran gezogen, für zehn Tage, in so eine Art Kloster: kein Fernseher, kein Internet, kein warmes Wasser, selbst die Glühbirne hatte nur 25 Watt. Dort hab ich das Buch gehetzt runtergeschrieben, wie im Rausch, angetrieben durch das monotone Dauerrauschen des benachbarten Wasserfalls.“
Von Stuckrad-Barre kennt er angeblich nur ein paar Artikel. Ähnlich unbekannt sind ihm Leander Haußmann und Christoph Schlingensief, ebenfalls wichtige Figuren des Romans. „Sie sind in,Ramses Müller’ja auch nicht sie selber, sondern Chiffren für Prominente, vollkommen austauschbar“, so Rubinowitz. „Wer das ernst nimmt und denkt, ich hätte ein Hühnchen mit ihnen zu rupfen, hat das Ganze nicht verstanden.“