Pop Shopping
Da ich gerade keinen Opel gebrauchen kann, aber doch irgendwas für mein Land tun wollte, beschloss ich, diesmal bei Karstadt das „Pop Shopping“ durchzuführen, demonstrativ. Im Karstadt am Berliner Kranzlereck befand sich früher eine „WOM“-Filiale mit hervorragendem Sortiment, mittlerweile gibt es da nur noch eine schäbige CD-Ecke im Keller, in der vor allem die zweite Platte dieses armen Dödels mit der Mundharmonika feilgeboten wird und die neue von Michael Wendler, deren Titel ein für diesen Mann wirklich verwegenes Wort ist: „Respekt“.
Raus da, schlechter Start, überhaupt, ich merke schon, ich möchte überhaupt keine neue Platte kaufen heute, morgen auch nicht. In neun Tagen fahre ich zum Konzert der Pet Shop Boys in London und werde im Zuge dessen dann den HMV-Laden leerkaufen; bis dahin und seit zwei Wochen schon höre ich überhaupt nur ein Lied, das aber jeden Tag mehrmals: „Schwarz zu Blau“ von Peter Fox. Und davon eigentlich auch immer am liebsten nur diese Stelle: „Frust kommt auf, denn der Bus kommt nicht.“ Bringt mich irgendwie sofort gut drauf, diese Zeile.
Alle anderen Platten machen mich traurig derzeit, was ist denn überhaupt los, Wetterumschwung, keine Ahnung. Immer wieder: „Frust kommt auf, denn der Bus kommt nicht.“ Und noch mal. Nein, ich will keine neuen Platten haben. Na, einen Versuch noch, im Elektronikkaufhaus, und wenn da nix geht, rufe ich meinen Therapeuten an und sage ihm, wir müssen den nächsten Termin vorziehen.
„Überall liegt Scheiße, man muss eigentlich schweben“, singt Peter Fox, und auch das stimmt. Irgendwie kommt der Bus momentan echt nicht, dachte ich und stieg aufs Fahrrad. Ich fahre eh nie Bus. Aber Bus muss ja nicht Bus heißen, nicht wahr? Genau.
Also, was haben wir da: Rod Stewart, Eros Ramazotti, diese beiden gloriosen Schwerenöter. Und? Nein. Heute nicht. Am Probehörapparat steht eine Frau und guckt seit Minuten derart behämmert, was die wohl hört? Ah, Eckart von Hirschhausens Glücksscheiße, verstehe. Scheint supergut zu sein, die Dame hört sich das komplett an und freut sich immens; in der einen Hand hält sie die neue Single der Toten Hosen, dieses Duett mit Birgit Minichmayr. Vorgestern saßen die beiden gemeinsam an Beckmanns Holzweg, äh, -tisch, -tisch natürlich, an Beckmanns Holztisch, „Thema heute: Komasaufen“, hatte es recht schwungvoll begonnen, aber dann bin ich doch eingeschlafen. Im anderen Arm hält die Hirschhausen-Hörerin eine riesige Box, „Barbara…“ lese ich darauf, vor Barbaras Nachnamen aber läppt der Busen der Madame, na ja, welche Barbara wird das schon sein, Schöneberger bestimmt, live in Cottbus oder so, Superdeluxe-DVD-Box-Set. Moment, Dame krümmt sich jetzt so sehr vor Lachen, dass der Busen Barbaras Nachnamen freigibt: Streisand. Also Barbra, nicht Barbara. Ach, schwul müsste man sein!
Da, die Rettung: Die Sterne, „Wichtig + Fickt das System EP“. Wie, was, 4,99? Einzeln habe ich die natürlich, aber beide zusammen auf einer CD noch nicht. „Mach die Tür zu, es zieht“, „Telekomm“, „Anfang verpasst“, „Rockmühle“, „Jenseits von Eden“, „Idiotensport“ – nur Hits. So, keine halben Sachen, sechs Stück davon und das war’s, das wird auf dem Bon sehr gut aussehen: Fickt das System Fickt das System Fickt das System und so weiter, damit – und mit dieser Platte sowieso – kann man doch dieser Tage wirklich jedem eine Freude machen, sogar AC/DC-Minister Guttenberg, denn Spilker singt ja: „Keine Parolen, keine blöden wie die: Fickt das System.“ Kann man so oder so interpretieren. Wer diese Sterne-Platte noch nicht besitzt und jetzt zum ersten Mal hört, der springt doch sofort einen halben Meter größer durchs Leben.
Mitten in der Krise schmeiße ich ’ne Runde: Liebe Leser, kleben Sie ein Bild von Angela Merkel und eins von Paul Mc-Cartney nebeneinander auf eine Postkarte, das allein schon macht gute Laune, man kommt nämlich wirklich durcheinander dabei, und schicken die an den ROLLING STONE. Nein, zu kompliziert. Machen wir es also so: Mail an popshopping@www.rollingstone, und der Redaktionsleiter wird sich dann vom ordnungsgemäßen Zustand des Ziehungsgeräts überzeugen und fünf Exemplare dieses ewiggültigen Sterne-Meisterwerks verlosen, eins behalte ich nämlich.
Blöd wäre jetzt nur, wenn durch diesen Intensivkauf die Platte plötzlich auf Platz 87 in die Charts geht und ich wegen Charts-Manipulation belangt werde, wie damals der Manager von Jeanette Biedermann, weil er – angeblich! – ein paar mehr Singles seiner eigenen Künstlerin eingekauft hatte als für den Hausgebrauch unbedingt nötig.
Sechsmal Die Sterne, das ist höchst verdächtig und könnte heutzutage tatsächlich für die Charts reichen, was man so hört. Und wenn schon, diese Platte gehört in die Charts, für immer.
„Fick das System“ steht auf dem Bon, sechsmal, sehr schön, aber ohne „t“ leider. Entschuldigung, das muss doch „Fickt“ heißen und nicht „Fick“, sagte ich zur Kassiererin, und da rief die nach dem Filialleiter, und ich sah zu, dass ich nach Hause kam, Die Sterne aufdrehen. Frust weg, Bus kommt – auf nach London, zum HMV-Laden.