Zum Heulen in die Garage
Erika Wennerstrom, Sängerin der Heartless Bastards, trägt ihr Herz auf der Zunge.
Es ist ein besonderer Tag für Erika Wennerstrom: in ein paar Stunden bringt die Post die Vinyl-Weißpressung ihres neuen Albums, „The Mountain“. Das Problem: Wennerstrom hat keinen Plattenspieler mehr. Der ist verloren gegangen in einem Umzugskarton, auf dem Weg von Dayton nach Austin, wo die Sängerin und Gitarristin der Heartless Bastards seit einer Weile lebt. Die Plattensammlung steht längst wieder im Regal, nur abspielen kann man sie nicht. „Ich höre meine Musik sowieso nicht gern“, wehrt sie ab. „Es ist unangenehm, mir fallen dann nur die Dinge auf, die ich hätte anders machen sollen.“
Wennerstrom wirkt scheu und ein bisschen beladen, genau wie ihre Musik. Über nun drei Alben hat sie mit wechselnden Besetzungen verlangsamten Garagen-Rock und schweren Neo-Blues aufgenommen, der Wut und Wehklage in sich trägt, aber kein bisschen Ironie.
Auch auf „The Mountain“ trägt Wennerstrom ihr Herz auf der Zunge, wenn sie zu schwerfälligen Riffs den Zerbruch einer zehnjährigen Beziehung verarbeitet. Es geht viel zu Ende auf dieser Platte, doch es beginnt auch vieles, und eben diese Spannung aus gebeutelter Seele und Aufbruchswillen prägt die Stimmung von „The Mountain“. „Es muss ja weitergehen“, zuckt Wennerstrom mit den Achseln. „Glück scheint mir immer mehr davon abzuhängen, wie man die Dinge sieht. Gewisse Sachen sind nur aus bestimmten Perspektiven wirklich Hindernisse.“
Viel tiefer will Wennerstrom nicht rein in die Reflexion und erzählt lieber von der Zeit im Studio mit Produzent Mike McCarthy. Der lässt das archaische Antlitz dieses derb gespielten Midwestern-Garage-Blues leuchten. Er stellt Wennerstroms gutturales Organ prominent aus – bringt sie aber gleichzeitig mit Pedal Steel, Mandoline und Geige in ungewohnte Situationen. „Ich habe mir selbst die Daumen gedrückt und ihn machen lassen“, erinnert sie sich. „Vieles konnte ich mir nicht vorstellen, aber als ich es dann hörte, ergab es plötzlich Sinn.“
Könnte sein, dass „The Mountain“ auch für viele andere Menschen Sinn ergibt. Womöglich ist die Zielgruppe dieser kompromisslosen Musik sogar größer als man denkt – David Letterman lud schon ein, die Rockpresse feiert Wennerstroms erdverkrustete Stimme einhellig. Da bestaunt man also eine Frau, die nicht aus ihrer Haut kann und deshalb beeindruckende Musik hinbekommt. „Es ist doch alles eine sehr persönliche Erzählung“, weiß Wennerstrom wieder nicht so recht. „Keine Ahnung, was die Leute daran so toll finden.“ Sie sollte sich einen Plattenspieler kaufen.