New Noises

01 Ein wenig denkt man bei den musikalischen Lautmalereien der Göteborger Band WILDBIRDS & PEACEDRUMS in ihrer percussiven Spontaneität an Can. Im „New Noises“-Beitrag „There Is No Light“ etwa steigert sich die zuweilen an Björk erinnernde Sängerin Mariam Wallentin in einem quasi-kathartischen Akt in ein Delirium aus hingespuckten Sprachfetzen am Rande der Ohnmacht. Das Deutschland-Debüt „The Snake“ ist übrigens bereits das zweite Album der Gruppe um Andreas Werliin. Ebenso wie die folgenden beiden Bands sind Wildbirds & Peacedrums auf der vom ROLLING STONE präsentierten Haldern Pop-Frühjahrstournee zu Gast (Daten: siehe Performance).

02 Ebenfalls aus Schweden stammt die zweite Haldern-Neuentdeckung: Die MARCHING BAND jedoch setzt auf einen himmelsstürmenden Kontrast aus stupenden Klavierakkorden, leicht perlenden Gitarren, entrücktem Gesang und einem forschen Uptempo-Beat. Bekannt ist die fünfköpfige Band bereits von mehreren Soundtracks, nun erscheint ihr in der Heimat bereits bekanntes Debüt, „Spark Large“, auch in Deutschland.

03 Eben erst haben sie einen ersten Eindruck in deutschen Clubs hinterlassen, nun kommt schon das Debütalbum der wunderbaren isländischen Band HJALTLIN „Sleepdrunk Seasons“. Die acht Musiker kommen natürlich aus Reykjavik, und — ohne jetzt wieder die ganzen Klischees von Geysiren und Fabelwesen auszupacken: Man kann Songs wie „Traffic Music“ ein gewisses verwunschenes Element nicht absprechen. Nicht nur hier: ein schwelgerisches Auf- und Abschwellen orchestraler Groß-Refrains und verhaltener r New Noises Neben drei in Deutschland weitgehend noch unbekannten Bands aus der Haldern-Schmiede stellen wir im März unter anderen einen Indie-Darling auf Abwegen, einen Weltmusikanten auf neuen Pfaden sowie eine Sängerin mit Ambitionen vor.

Strophen, ein stetiges Dräuen und Drängen. Ebenso gewaltig wie anmutig.

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Anfangs kaum bemerkt, eroberten THE RIFLES ihre inzwischen beachtliche Gefolgschaft in klassischer Manier überwiegend auf der Straße. Beinahe unablässig waren die vier Londoner nämlich in den letzten zwei Jahren auf Tournee. Nun fanden sie endlich die Zeit, ein weiteres Album einzuspielen: „The Great Escape“ (sic!) nahm die Band im Verlauf einer Landpartie mit dem von Band-Intimus Paul Weller empfohlenen Produzenten Jan Kybert überwiegend live auf. Enstanden sind das Spektrum der Rifles erweiternde Songs wie etwa das himmelsstürmende, in der Tradition von The Clash stehende „Science In Violence“.

05 Bereits ihr drittes Album legen in diesen Tagen die Frankokanadier von MALAJUBE vor. Das letzte Werk der vierköpfigen Band um den Sänger Julien Mineau litt noch ein wenig an Überzuckerung- trotz superber Melodien. Lind auch auf „Labyrinthes“ führen Malajube den Hörer zunächst in eine ebensolche. Es wird aber nicht mehr mit aller Macht versucht, das – beachtliche! – stilistische Spektrum der Truppe in jedem einzelnen Song abzubilden. So ist etwa „Porte Disparu“ ein aufgeräumt schwirrender Pop-Song von träumerischer Leichtigkeit, der nicht nur dank des — in diesem Kontext immer noch exotisch anmutenden – französischen Gesangs besticht.

06 Als die Berliner von SUPER 700 vor einiger Zeit auf Einladung von Nic Harcourt ein Gastspiel in dessen Radio-Show „Morning Becomes Eclectic“ in Los Angeles gaben, hatten sie einen damals noch nicht veröffentlichten Song im Repertoire: „Tango“ . Unser „TNew Noises“-Track hinterließ einen begeisterten Moderator – und eröffnet nun „Lovebites“, das zweite Album der Band um Michael Haves und Sängerin Ibadet Ramadani. Hier gelingt Super 700 ein wahrer Quantensprung, das Werk birst schier vor schmachtender Melancholie und furioser Komponierkunst. Und diese immer wieder an die frühen Garbage erinnernden Melodien kriegt man gleich gar nicht mehr aus dem Kopf.

07 Eben hörten wir noch „Miracle Of Five“, da veröffentlicht die zauberhafte ELENI MANDELL bereits eine weitere Liedsammlung. Noch mehr als zuvor integriert Mandell auf „Artifcial Fire“ ihre Band, mit der sie alle Songs gemeinsam arrangierte und aufnahm. Bei einer Sängerin wie etwa Leslie Feist (an deren „1134“ das Lied erinnert.) wäre nun ein Track wie „Right Side“ eine kieksende Ode an die Freude – nicht so hier. Mit geheimnisumwabertem Timbre singt Mandell ein zynisch angehauchtes Liebeslied, von dem man nicht weiß, ob es ein solches sein soll. Dazu erdet der Bass, brummen die Hörner, flirrt die Gitarre. Smooth.

08 Bereits auf den wenigen Konzerten im letzten Dezember wunderten sich einige der am Bühnenrand schmachtenden jungen Damen, dass der ehemalige Indie-Darling BEN KWELLER allein mit Unterstützung eines dicklichen Dobro-Spielers angetreten war und sich tatsächlich an traditionellem Liedgut versuchte. Nun legt der 27-Jährige konsequenterweise ein… Country-Album vor! Freilich nicht allzu werkgetreu, und — wie der Albumtitel „Changing Horses“ belegt — vermutlich mit Augenzwinkern. Zudem ist etwa „Wantin‘ Her Again“ nach wie vor umflort von Kwellers verträumter Sehnsuchtsschwere. Wie’s kommt? Noch bevor der Texaner die Beatles und Nirvana entdeckte, lieferte Garth Brooks den Soundtrack seiner Kindheit — und nun schließt sich eben der Kreis.

09 Viel gelobt wurde die junge Schwedin ANNA TERNHEIM für ihre ersten beiden Alben, nun spürt man deutlich den Willen zum nächsten Schritt: Weitaus opulenter als bislang geriet die Produktion von Björn Yttling für „Leaving On A Mayday“. die Arrangements sind üppiger und vielschichtiger. Mit arabischen Harmonien und einem stringenten Beat beginnt etwa „What Have I Done“ — eine Frage, die Ternheim natürlich nicht abschließend klären kann: „1 hope you feel the way I do/1 hope you give yourself up too/ Im damned to feel the way I do/ What have I done to fall so hard for you.“ Die Qualen der unerwiderten Liebe, hingehaucht von einer einsamen Stimme in tosender See.

10 Hätten wir dem allseits beliebten milchgesichtigen Grübler Zach Condon gar nicht zugetraut, dass er seine Freizeit in derart zwielichtiger Umgebung verbringt. Doch in „The Night With The Prostitute Of Marseille“ singt er tatsächlich von ebenjener. Allerdings handelt es sich wohl eher um eine idealisierende Betrachtung- noch auf der Straße sieht der hinter BEIRUT steckende Condon die Augen der Dirne in den Sternen, wie er zu pluckernden Synths singt – der arme Kerl hat offenbar sein Herz verloren! Übrigens handelt es sich bei „March Of The Zapotek/Realpeople: Holland“ um eine sogenannte Doppel-EP, auf der sich der von jeher aufgeschlossene Condon zunächst mit einer mexikanischen Band mittelamerikanischem Folk widmet, ehe er — im zweiten Teil — unter seinem früheren Moniker Realpeople seine Version elektronischer Avantgarde zelebriert. Was einmal mehr zeigt: Immer wenn man glaubt, man habe Condon durchschaut, ist der schon wieder ganz woanders.

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