Der Lach-Philosoph

Zum 20. Todestag gibt es weitere Munition von Thomas Bernhard - Interviews auf DVD und „"Meine Preise" aus dem Nachlass.

Im Februar vor 20 Jahren verließ uns der Weltkomödiant und Vernichtungsvirtuose Thomas Bernhard, angeblich mit einem Glaserl Wein in der Hand, während einer Unterhaltung mit dem Halbbruder Peter Fabjan, einem Arzt. Im Fernsehen sprach Marcel Reich-Ranicki den Nachruf, was Bernhard gefreut hätte, denn anders als der Nekrologe schaute er gern in die Röhre.

Er hatte noch die Aufführung von „Heldenplatz“ am Wiener Burgtheatcr erlebt, dem Stück zum 50. Jahrestag des „Anschlusses“ Österreichs an Nazi-Deutschland. Nach allen Protesten und Scharmützeln im Vorfeld war Claus Peymanns Inszenierung ein letzter Triumph der Bernhardschen Endlos-Suada, hier von einem jüdischen Professor sehr elegant und elegisch vorgetragen.

Man wurde nach der Premiere — bei Bernhards letztem öffentlichen Auftritt zum Schlussapplaus-den Eindruck nicht los, dass die Österreicher ihn doch geliebt hatten als den Dichter, der ihren Grant und ihre Nörgeleien zur Poesie und zum Welterfolg erhoben hatte, beliebt und übersetzt auch in Spanien und Frankreich, wo das Lokalkolorit unverständlich bleiben muss. Immer wieder hatte sich Bernhard – vor allem in der Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit“ mit Aufsätzen und Leserbriefen zu Wort gemeldet, hatte sich vorgeblich in die oberösterreichische Trutzburg bei Gmunden eingeschlossen, nur um immer mal wieder Journalisten und Germanisten jovial Interviews zu gewähren, die heute allesamt in Büchern aufbewahrt sind. Burgtheaterdirektor Peymann war zur Bernhard-Figur geworden und wetterte über die Wiener Verhältnisse, die Schauspieler und die Verwaltung. Österreich war die Bühne, auf der Thomas Bernhard seine Kasperlefiguren schimpfen ließ: Die von ihm seit dem Stück „Der Ignorant und der Wahnsinnige“ -1972 in Salzburg genüsslich inszenierten Skandale verfolgte er in der Presse. Die er bei Gelegenheit auch als schiaches Geschäft mit der Lüge demontierte, hatte er doch einige Jahre als Gerichtsreporter arbeiten müssen.

Als die Journalistin Krista Fleischmann dem Dichter 1981 eine Filmdokumentation für den ORF vorschlug, bestand er auf Palma de Mallorca als Schauplatz. Seine Lungenkrankheit zwang Bernhard zu langen Urlauben in Kroatien, in Portugal und Spanien — die Meeresluft bekam dem um Atem Ringenden gut. Inder charmanten Gesellschaft der nicht übermäßig kritischen Fleischmann schwadronierte der Sommerfrischler bei Kaffee. Brandy und ausgedehnten Mahlzeiten über Katholizismus, Schriftstellerei, sexuelles Erwachen, Krankheit, Politik und Theater und Religion und Essen — die Themen seiner Bücher mithin, die Themen des Lebens. Beiläufig wurden herumsitzende Touristinnen abgewatscht, der österreichische Bundeskanzler, der Papst und die Frau an sich, die weder ein Auto noch einen Ozeandampfer steuern könne — obwohl die Frau m Fleischmann ihn doch während des Mallorca-Aufenthalts sicher über die Insel chauffierte. Für solche süffisanten Monologe nannte Peter Handke den Landsmann später einen „Witzel“.

Der Mallorca-Film war über die Jahre öfter auf 3sat zu sehen und auf teuren Videokassetten zu kaufen – nun gibt es ihn, gekoppelt mit dem zweiten langen Bernhard-Interview von Knsta Fleischmann, auf der DVD .Monologe auf Mallorca“. Am Wasser, in Straßen-Cafes und Restaurants sitzend, entwickelt Bernhard hier redend die Spaß-Philosophie des blödelnden Flaneurs. So galten ihm auch die großen Philosophen – Kant, Schopenhauer, Pascal, Kierkegaard – als „Lach-Philosophen“, bei deren Lektüre man sich gar nicht halten könne.“.Das Ernste ist der Kitt für das Lachprogramm. Nun kann man natürlich auch sagen, es ist ein philosophisches Lachprogramm, das ich irgendwie aufgemacht hab‘ vor 20 Jahren, wie ich zu schreiben angefangen hab‘. Natürlich, eine trockene, nur ernste Philosophie ist nicht zum Lachen, das ist ja auch wahnsinnig fad. Aber beim Schopenhauer kann ich auch lachen. Je verbissener er ist, desto mehr ist er zum Lachen, nur nehmen die Leut‘ das alles tragisch ernst. Aber wie kann man emanden ernst nehmen, der mit einem Pudel verheiratet ist, den kann man ja von vornherein nicht ernst nehmen.“ Seine Litaneien mit „nicht“ und „ne“ strukturierend und sich Brotkrumen in den Mund werfend, ist Bernhard ganz süffisanter Spötter.

Beim zweiten Film. 1986 aufgenommen in Madrid („Die Ursache bin ich selbst“), war Bernhard sichtbar gealtert, seine Laune hatte sich verfinstert. Hager stakste er über den Markt, ging vor dem Prado herum, kommentierte den grauslichen spanischen Stierkampf. Im Hotel musste für ein Gespräch ein getäfeltes Zimmer geräumt werden, Bernhards Laune war nicht die beste: „Jedes Wort ein Treffer, jedes Kapitel eine Weltanklage und alles zusammen eine totale Weltrevolution bis zur totalen Auslöschung.“

Aus dem Nachlass wird nun auch ein Werk veröffentlicht, das Bernhard 1980 fertiggestellt, schließlich aber nicht zur Veröffentlichung vorgesehen hatte. „MeinePreise“ enthält Berichte über Ehrungen für Bernhard und die Preisverleihungen, handelt aber von der Nichtswürdigkeit und Lächerlichkeit solcher Auszeichnungen — denen sich der Schriftsteller dennoch nicht entzog. Von Maxim Biller wurde er bereits- in einem wiederum bernhardesken Akt -des Opportunismus und der Heuchelei bezichtigt. Poetisch hatte Bernhard soche Preisverleihungen 1982 in „Wittgensteins Neffe“ bewältigt, indem er zwei bizarre Erlebnisse zusammenlegte, sozusagen dramatisierte. In „Meine Preise“ schont der Autor sich selbst nicht und macht keinen Hehl aus dem Umstand, dass er seit 1964 —Julius-Campe-Preis in Hamburg—gute Verwendung für die jeweiligen Preisgelder hatte. Und er schildert die selten heitere Episode, wie er sich sein erstes Auto, einen Triumph Herald, kaufte – gleich aus dem Schaufenster. Dass er sich mit den Amtsidioten, Heuchlern und Adabeis gemein mache, reflektiert Bernhard mehrfach, und auch die Spende eines Preisgelds an eine Häftlingsfürsorge erkennt er als „Beschönigung“ und „falschen Weg“. Man dürfe keine Preise mehr annehmen.

Aber nach dem Büchner-Preis 1970 hatte er sowieso alle deutschen und österreichischen Literaturpreise abgeräumt. Nun kam der größere Triumph: Thomas Bernhard wurde wahrhaftig gelesen™.

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