Vogelgesang & Straßenlärm
Der kanadische Songwriter Hayden pendelte für sein neues Album zwischen Stadt und Einöde.
Wenn Paul Hayden Desser alles Leichte nicht so schrecklich schwerfallen würde, könnte er sich sein Leben viel bequemer einrichten. Wenn sich der 37-jährige Singer/Songwriter aus Toronto an den Majordeal, den ihm das Album „Everything I Long For“ Mitte der 90er Jahre bescherte, geklammert hätte. Wenn er seine Songs nicht weiterhin auf seinem eigenem Label Hardwood veröffentlicht und sich nicht zwischen den Alben stets so viel Zeit lassen würde. Aber anstatt sich darum zu bemühen, Kanadas Indie-Superstar zu werden, der er inzwischen sein könnte, schleppt er lieber seinen Verstärker weiterhin selbst auf die Bühne, wenn er wie jetzt im Herbst im Vorprogramm von Feist (die den Indie-Superstar-Job dann stattdessen gekriegt hat) von Calgary über Winnipeg nach Montreal reist.
„Das ist schon bizarr, meine doch recht intimen Songs in Hockey-Arenen zu singen“, sagt Hayden, der gerade eine kurze Tourpause nutzt, um zu Hause in Toronto nach dem Rechten zu sehen. „Am meisten vermisse ich unterwegs meine Freundin und meine Espressomaschine“, gesteht er und verrät, dass er Probleme damit hat, das Liederschreiben und das Touren miteinander zu vereinbaren: „Wenn ich länger unterwegs war und nach Hause komme, brauche ich stets eine Ewigkeit, bis ich mich wieder auf meine eigentliche Arbeit konzentrieren kann.“ Darum sind zwischen dem unerhört feinfühligen Meisterwerk „Elk-Lake Serenade“ und dem jetzt erschienenen „In Field & Town“ schon wieder vier Jahre vergangen. „Das Schwerste war, die Songs überhaupt fertig zu kriegen“, sagt Hayden, „ich verliebe mich oft Hals über Kopf in einen ersten Entwurf. Daraus einen fertigen Song und aus fertigen Songs ein Album zu machen, empfinde ich aber immer als Qual.“ Er hat die Hälfte der Platte in der nordkanadischen Einöde aufgenommen und ist dann nach Toronto zurückgekehrt, um die Songs fertig zu machen. „So prallen im Hintergrund der Aufnahmen zwei Welten aufeinander, indem sich Vogelgesane mit Straßenlärm vermischt.“
Während „Elk-Lake Serenade“ ein klassisches Singer/Songwriter-Album war, bei dem Hayden wieder einmal zahllose Vergleiche mit Neil Young aushalten musste (und konnte), hat er sich diesmal mehr um einen groovenden Bandsound bemüht und sich pfiffige Instrumentierungen ausgedacht. „Ich wollte nicht, dass alle wieder sagen, dass Album klingt wie Yotingzu Zeiten von .Harvest‘ — obwohl ich diesen Sound der frühen 70er Jahre wirklich über alles liebe.“
Doch auch wenn er seine Folkrock-Songs auf „In Field & Town“ mit etwas mehr Pop als sonst garniert, neigt Hayden nach wie vor nicht zu verschwenderischen Verzierungen, sondern liebt es sparsam und sachlich: „Ich habe zum Beispiel ursprünglich drei Songs mit ausufernden Streicherarrangements versehen, die ich hinterher gleich weggeschmissen habe“, sagt er: „Das ist eine der Sachen, die ich in den letzten 15 Jahren als Songwriter gelernt habe: dass es sich oft lohnt, sich von Dingen, die man zunächst für unverzichtbar hält, zu verabschieden.“ Was jedoch nicht für die Freundin und die Espressomaschine gilt.